Goethe, ist sehr selten, und man thut daher im gewöhn¬ lichen Leben immer wohl, solche Dinge für sich zu be¬ halten, und davon nur so viel hervorzukehren, als nöthig ist, um gegen die Andern in einiger Avantage zu seyn."
Wir berühren sodann den Punct, daß viele Men¬ schen, besonders Critiker und Poeten, das eigentlich Große ganz ignoriren, und dagegen auf das Mittlere einen außerordentlichen Werth legen.
"Der Mensch, sagte Goethe, erkennet nur das an und preiset nur das, was er selber zu machen fähig ist; und da nun gewisse Leute in dem Mittleren ihre eigent¬ liche Existenz haben, so gebrauchen sie den Pfiff, daß sie das wirklich Tadelnswürdige in der Literatur, was jedoch immer einiges Gute haben mag, durchaus schel¬ ten und ganz tief herabsetzen, damit das Mittlere, was sie anpreisen, auf einer desto größeren Höhe erscheine."
Ich merkte mir dieses, damit ich wissen möchte, was ich von dergleichen Verfahren künftig zu denken.
Wir sprachen sodann von der Farbenlehre, und daß gewisse deutsche Professoren noch immer fortfahren, ihre Schüler davor, als vor einem großen Irrthum, zu warnen.
"Es thut mir nur um manchen guten Schüler leid, sagte Goethe; mir selbst aber kann es völlig einerley seyn, denn meine Farbenlehre ist so alt wie die Welt, und wird auf die Länge nicht zu verläugnen und bey Seite zu bringen seyn."
Goethe, iſt ſehr ſelten, und man thut daher im gewoͤhn¬ lichen Leben immer wohl, ſolche Dinge fuͤr ſich zu be¬ halten, und davon nur ſo viel hervorzukehren, als noͤthig iſt, um gegen die Andern in einiger Avantage zu ſeyn.“
Wir beruͤhren ſodann den Punct, daß viele Men¬ ſchen, beſonders Critiker und Poeten, das eigentlich Große ganz ignoriren, und dagegen auf das Mittlere einen außerordentlichen Werth legen.
„Der Menſch, ſagte Goethe, erkennet nur das an und preiſet nur das, was er ſelber zu machen faͤhig iſt; und da nun gewiſſe Leute in dem Mittleren ihre eigent¬ liche Exiſtenz haben, ſo gebrauchen ſie den Pfiff, daß ſie das wirklich Tadelnswuͤrdige in der Literatur, was jedoch immer einiges Gute haben mag, durchaus ſchel¬ ten und ganz tief herabſetzen, damit das Mittlere, was ſie anpreiſen, auf einer deſto groͤßeren Hoͤhe erſcheine.“
Ich merkte mir dieſes, damit ich wiſſen moͤchte, was ich von dergleichen Verfahren kuͤnftig zu denken.
Wir ſprachen ſodann von der Farbenlehre, und daß gewiſſe deutſche Profeſſoren noch immer fortfahren, ihre Schuͤler davor, als vor einem großen Irrthum, zu warnen.
„Es thut mir nur um manchen guten Schuͤler leid, ſagte Goethe; mir ſelbſt aber kann es voͤllig einerley ſeyn, denn meine Farbenlehre iſt ſo alt wie die Welt, und wird auf die Laͤnge nicht zu verlaͤugnen und bey Seite zu bringen ſeyn.“
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Goethe, iſt ſehr ſelten, und man thut daher im gewoͤhn¬
lichen Leben immer wohl, ſolche Dinge fuͤr ſich zu be¬
halten, und davon nur ſo viel hervorzukehren, als noͤthig
iſt, um gegen die Andern in einiger Avantage zu ſeyn.“
Wir beruͤhren ſodann den Punct, daß viele Men¬
ſchen, beſonders Critiker und Poeten, das eigentlich
Große ganz ignoriren, und dagegen auf das Mittlere
einen außerordentlichen Werth legen.
„Der Menſch, ſagte Goethe, erkennet nur das an
und preiſet nur das, was er ſelber zu machen faͤhig iſt;
und da nun gewiſſe Leute in dem Mittleren ihre eigent¬
liche Exiſtenz haben, ſo gebrauchen ſie den Pfiff, daß
ſie das wirklich Tadelnswuͤrdige in der Literatur, was
jedoch immer einiges Gute haben mag, durchaus ſchel¬
ten und ganz tief herabſetzen, damit das Mittlere, was
ſie anpreiſen, auf einer deſto groͤßeren Hoͤhe erſcheine.“
Ich merkte mir dieſes, damit ich wiſſen moͤchte, was
ich von dergleichen Verfahren kuͤnftig zu denken.
Wir ſprachen ſodann von der Farbenlehre, und
daß gewiſſe deutſche Profeſſoren noch immer fortfahren,
ihre Schuͤler davor, als vor einem großen Irrthum, zu
warnen.
„Es thut mir nur um manchen guten Schuͤler leid,
ſagte Goethe; mir ſelbſt aber kann es voͤllig einerley
ſeyn, denn meine Farbenlehre iſt ſo alt wie die Welt,
und wird auf die Laͤnge nicht zu verlaͤugnen und bey
Seite zu bringen ſeyn.“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/326>, abgerufen am 18.07.2024.
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