ergriff sie mit beyden Händen. Denn um fromm zu seyn, brauchte man nichts zu lernen, und das eigene Genie brachte jeder schon von seiner Frau Mutter. Man kann nur etwas aussprechen, was dem Eigendünkel und der Bequemlichkeit schmeichelt, um eines großen Anhan¬ ges in der mittelmäßigen Menge gewiß zu seyn."
Freytag den 25. März 1831.
Goethe zeigte mir einen eleganten grünen Lehnstuhl, den er dieser Tage in einer Auction sich hatte kaufen lassen.
"Ich werde ihn jedoch wenig oder gar nicht gebrau¬ chen, sagte er, denn alle Arten von Bequemlichkeit sind eigentlich ganz gegen meine Natur. Sie sehen in mei¬ nem Zimmer kein Sopha; ich sitze immer in meinem alten hölzernen Stuhl, und habe erst seit einigen Wo¬ chen eine Art von Lehne für den Kopf anfügen lassen. Eine Umgebung von bequemen geschmackvollen Meublen hebt mein Denken auf, und versetzt mich in einen be¬ haglichen passiven Zustand. Ausgenommen, daß man von Jugend auf daran gewöhnt sey, sind prächtige Zimmer und elegantes Hausgeräthe etwas für Leute, die keine Gedanken haben und haben mögen."
ergriff ſie mit beyden Haͤnden. Denn um fromm zu ſeyn, brauchte man nichts zu lernen, und das eigene Genie brachte jeder ſchon von ſeiner Frau Mutter. Man kann nur etwas ausſprechen, was dem Eigenduͤnkel und der Bequemlichkeit ſchmeichelt, um eines großen Anhan¬ ges in der mittelmaͤßigen Menge gewiß zu ſeyn.“
Freytag den 25. Maͤrz 1831.
Goethe zeigte mir einen eleganten gruͤnen Lehnſtuhl, den er dieſer Tage in einer Auction ſich hatte kaufen laſſen.
„Ich werde ihn jedoch wenig oder gar nicht gebrau¬ chen, ſagte er, denn alle Arten von Bequemlichkeit ſind eigentlich ganz gegen meine Natur. Sie ſehen in mei¬ nem Zimmer kein Sopha; ich ſitze immer in meinem alten hoͤlzernen Stuhl, und habe erſt ſeit einigen Wo¬ chen eine Art von Lehne fuͤr den Kopf anfuͤgen laſſen. Eine Umgebung von bequemen geſchmackvollen Meublen hebt mein Denken auf, und verſetzt mich in einen be¬ haglichen paſſiven Zuſtand. Ausgenommen, daß man von Jugend auf daran gewoͤhnt ſey, ſind praͤchtige Zimmer und elegantes Hausgeraͤthe etwas fuͤr Leute, die keine Gedanken haben und haben moͤgen.“
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ergriff ſie mit beyden Haͤnden. Denn um fromm zu
ſeyn, brauchte man nichts zu lernen, und das eigene
Genie brachte jeder ſchon von ſeiner Frau Mutter. Man
kann nur etwas ausſprechen, was dem Eigenduͤnkel und
der Bequemlichkeit ſchmeichelt, um eines großen Anhan¬
ges in der mittelmaͤßigen Menge gewiß zu ſeyn.“
Freytag den 25. Maͤrz 1831.
Goethe zeigte mir einen eleganten gruͤnen Lehnſtuhl,
den er dieſer Tage in einer Auction ſich hatte kaufen
laſſen.
„Ich werde ihn jedoch wenig oder gar nicht gebrau¬
chen, ſagte er, denn alle Arten von Bequemlichkeit ſind
eigentlich ganz gegen meine Natur. Sie ſehen in mei¬
nem Zimmer kein Sopha; ich ſitze immer in meinem
alten hoͤlzernen Stuhl, und habe erſt ſeit einigen Wo¬
chen eine Art von Lehne fuͤr den Kopf anfuͤgen laſſen.
Eine Umgebung von bequemen geſchmackvollen Meublen
hebt mein Denken auf, und verſetzt mich in einen be¬
haglichen paſſiven Zuſtand. Ausgenommen, daß man
von Jugend auf daran gewoͤhnt ſey, ſind praͤchtige
Zimmer und elegantes Hausgeraͤthe etwas fuͤr Leute,
die keine Gedanken haben und haben moͤgen.“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/336>, abgerufen am 24.11.2024.
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