Alles was in unserer Natur Kleines ist, kann in Deutsch¬ land nicht herausgebracht werden. Aber sobald wir in Rom eintreten, geht eine Umwandlung mit uns vor und wir fühlen uns groß wie die Umgebung." Warum sind Sie nicht länger dort geblieben? fragte ich. "Geld und Urlaub, entgegnete er, waren zu Ende. Aber es ward mir wunderlich zu Muthe, als ich, das schöne Italien im Rücken, den Fuß wieder über die Alpen setzte."
Goethe kam und begrüßte die Anwesenden. Er sprach Verschiedenes mit Tieck und den Seinigen, und bot so¬ dann der Gräfin den Arm, um sie zu Tisch zu führen. Wir Andern folgten und machten, indem wir uns setz¬ ten, bunte Reihe. Die Unterhaltung war lebhaft und ungenirt, von dem jedoch, was gesprochen worden, weiß ich mich wenig zu erinnern.
Nach aufgehobener Tafel ließen sich die Prinzen von Oldenburg melden. Wir gingen alle hinauf in die Zim¬ mer der Frau v. Goethe, wo Fräulein Agnes Tieck sich zum Flügel setzte, und das schöne Lied: Im Felde schleich' ich still und wild etc. mit einer trefflichen Alt-Stimme so im Geiste der Situation vortrug, daß es einen Eindruck ganz eigener unvergeßlicher Art machte.
Alles was in unſerer Natur Kleines iſt, kann in Deutſch¬ land nicht herausgebracht werden. Aber ſobald wir in Rom eintreten, geht eine Umwandlung mit uns vor und wir fuͤhlen uns groß wie die Umgebung.“ Warum ſind Sie nicht laͤnger dort geblieben? fragte ich. „Geld und Urlaub, entgegnete er, waren zu Ende. Aber es ward mir wunderlich zu Muthe, als ich, das ſchoͤne Italien im Ruͤcken, den Fuß wieder uͤber die Alpen ſetzte.“
Goethe kam und begruͤßte die Anweſenden. Er ſprach Verſchiedenes mit Tieck und den Seinigen, und bot ſo¬ dann der Graͤfin den Arm, um ſie zu Tiſch zu fuͤhren. Wir Andern folgten und machten, indem wir uns ſetz¬ ten, bunte Reihe. Die Unterhaltung war lebhaft und ungenirt, von dem jedoch, was geſprochen worden, weiß ich mich wenig zu erinnern.
Nach aufgehobener Tafel ließen ſich die Prinzen von Oldenburg melden. Wir gingen alle hinauf in die Zim¬ mer der Frau v. Goethe, wo Fraͤulein Agnes Tieck ſich zum Fluͤgel ſetzte, und das ſchoͤne Lied: Im Felde ſchleich' ich ſtill und wild ꝛc. mit einer trefflichen Alt-Stimme ſo im Geiſte der Situation vortrug, daß es einen Eindruck ganz eigener unvergeßlicher Art machte.
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Alles was in unſerer Natur Kleines iſt, kann in Deutſch¬
land nicht herausgebracht werden. Aber ſobald wir in
Rom eintreten, geht eine Umwandlung mit uns vor
und wir fuͤhlen uns groß wie die Umgebung.“ Warum
ſind Sie nicht laͤnger dort geblieben? fragte ich. „Geld
und Urlaub, entgegnete er, waren zu Ende. Aber es
ward mir wunderlich zu Muthe, als ich, das ſchoͤne
Italien im Ruͤcken, den Fuß wieder uͤber die Alpen
ſetzte.“
Goethe kam und begruͤßte die Anweſenden. Er ſprach
Verſchiedenes mit Tieck und den Seinigen, und bot ſo¬
dann der Graͤfin den Arm, um ſie zu Tiſch zu fuͤhren.
Wir Andern folgten und machten, indem wir uns ſetz¬
ten, bunte Reihe. Die Unterhaltung war lebhaft und
ungenirt, von dem jedoch, was geſprochen worden, weiß
ich mich wenig zu erinnern.
Nach aufgehobener Tafel ließen ſich die Prinzen von
Oldenburg melden. Wir gingen alle hinauf in die Zim¬
mer der Frau v. Goethe, wo Fraͤulein Agnes Tieck ſich
zum Fluͤgel ſetzte, und das ſchoͤne Lied: Im Felde
ſchleich' ich ſtill und wild ꝛc. mit einer trefflichen
Alt-Stimme ſo im Geiſte der Situation vortrug, daß
es einen Eindruck ganz eigener unvergeßlicher Art
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/34>, abgerufen am 21.11.2024.
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