Heute war bey Tisch von den Frauen die Rede, und Goethe äußerte sich darüber sehr schön. "Die Frauen, sagte er, sind silberne Schalen, in die wir gol¬ dene Äpfel legen. Meine Idee von den Frauen ist nicht von den Erscheinungen der Wirklichkeit abstrahirt, son¬ dern sie ist mir angeboren, oder in mir entstanden, Gott weiß wie. Meine dargestellten Frauen-Charactere sind daher auch alle gut weggekommen, sie sind alle besser, als sie in der Wirklichkeit anzutreffen sind."
Dienstag, den 18. November 1828.
Goethe sprach von einem neuen Stück des Edin¬ burgh Review. "Es ist eine Freude, zu sehen, sagte er, zu welcher Höhe und Tüchtigkeit die englischen Cri¬ tiker sich jetzt erheben. Von der früheren Pedanterie ist keine Spur mehr, und große Eigenschaften sind an de¬ ren Stelle getreten. In dem letzten Stück, in einem Aufsatz über deutsche Literatur, finden Sie folgende Äußerung: "Es giebt Leute unter den Poeten, deren Neigung es ist, immer in solchen Dingen zu verkehren, die ein Anderer sich gerne aus dem Sinne schlägt." Nun, was sagen Sie? da wissen wir mit einem Male, woran
Mittwoch, den 22. Ottober 1828.
Heute war bey Tiſch von den Frauen die Rede, und Goethe aͤußerte ſich daruͤber ſehr ſchoͤn. „Die Frauen, ſagte er, ſind ſilberne Schalen, in die wir gol¬ dene Äpfel legen. Meine Idee von den Frauen iſt nicht von den Erſcheinungen der Wirklichkeit abſtrahirt, ſon¬ dern ſie iſt mir angeboren, oder in mir entſtanden, Gott weiß wie. Meine dargeſtellten Frauen-Charactere ſind daher auch alle gut weggekommen, ſie ſind alle beſſer, als ſie in der Wirklichkeit anzutreffen ſind.“
Dienſtag, den 18. November 1828.
Goethe ſprach von einem neuen Stuͤck des Edin¬ burgh Review. „Es iſt eine Freude, zu ſehen, ſagte er, zu welcher Hoͤhe und Tuͤchtigkeit die engliſchen Cri¬ tiker ſich jetzt erheben. Von der fruͤheren Pedanterie iſt keine Spur mehr, und große Eigenſchaften ſind an de¬ ren Stelle getreten. In dem letzten Stuͤck, in einem Aufſatz uͤber deutſche Literatur, finden Sie folgende Äußerung: „Es giebt Leute unter den Poeten, deren Neigung es iſt, immer in ſolchen Dingen zu verkehren, die ein Anderer ſich gerne aus dem Sinne ſchlaͤgt.“ Nun, was ſagen Sie? da wiſſen wir mit einem Male, woran
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0051"n="41"/></div><divn="4"><datelinerendition="#right">Mittwoch, den 22. Ottober 1828.<lb/></dateline><p>Heute war bey Tiſch von den <hirendition="#g">Frauen</hi> die Rede,<lb/>
und Goethe aͤußerte ſich daruͤber ſehr ſchoͤn. „Die<lb/>
Frauen, ſagte er, ſind ſilberne Schalen, in die wir gol¬<lb/>
dene Äpfel legen. Meine Idee von den Frauen iſt nicht<lb/>
von den Erſcheinungen der Wirklichkeit abſtrahirt, ſon¬<lb/>
dern ſie iſt mir angeboren, oder in mir entſtanden,<lb/>
Gott weiß wie. Meine dargeſtellten Frauen-Charactere<lb/>ſind daher auch alle gut weggekommen, ſie ſind alle<lb/>
beſſer, als ſie in der Wirklichkeit anzutreffen ſind.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="4"><datelinerendition="#right">Dienſtag, den 18. November 1828.<lb/></dateline><p>Goethe ſprach von einem neuen Stuͤck des <hirendition="#aq">Edin¬<lb/>
burgh Review</hi>. „Es iſt eine Freude, zu ſehen, ſagte<lb/>
er, zu welcher Hoͤhe und Tuͤchtigkeit die engliſchen Cri¬<lb/>
tiker ſich jetzt erheben. Von der fruͤheren Pedanterie iſt<lb/>
keine Spur mehr, und große Eigenſchaften ſind an de¬<lb/>
ren Stelle getreten. In dem letzten Stuͤck, in einem<lb/>
Aufſatz uͤber deutſche Literatur, finden Sie folgende<lb/>
Äußerung: „Es giebt Leute unter den Poeten, deren<lb/>
Neigung es iſt, immer in ſolchen Dingen zu verkehren,<lb/>
die ein Anderer ſich gerne aus dem Sinne ſchlaͤgt.“ Nun,<lb/>
was ſagen Sie? da wiſſen wir mit einem Male, woran<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[41/0051]
Mittwoch, den 22. Ottober 1828.
Heute war bey Tiſch von den Frauen die Rede,
und Goethe aͤußerte ſich daruͤber ſehr ſchoͤn. „Die
Frauen, ſagte er, ſind ſilberne Schalen, in die wir gol¬
dene Äpfel legen. Meine Idee von den Frauen iſt nicht
von den Erſcheinungen der Wirklichkeit abſtrahirt, ſon¬
dern ſie iſt mir angeboren, oder in mir entſtanden,
Gott weiß wie. Meine dargeſtellten Frauen-Charactere
ſind daher auch alle gut weggekommen, ſie ſind alle
beſſer, als ſie in der Wirklichkeit anzutreffen ſind.“
Dienſtag, den 18. November 1828.
Goethe ſprach von einem neuen Stuͤck des Edin¬
burgh Review. „Es iſt eine Freude, zu ſehen, ſagte
er, zu welcher Hoͤhe und Tuͤchtigkeit die engliſchen Cri¬
tiker ſich jetzt erheben. Von der fruͤheren Pedanterie iſt
keine Spur mehr, und große Eigenſchaften ſind an de¬
ren Stelle getreten. In dem letzten Stuͤck, in einem
Aufſatz uͤber deutſche Literatur, finden Sie folgende
Äußerung: „Es giebt Leute unter den Poeten, deren
Neigung es iſt, immer in ſolchen Dingen zu verkehren,
die ein Anderer ſich gerne aus dem Sinne ſchlaͤgt.“ Nun,
was ſagen Sie? da wiſſen wir mit einem Male, woran
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/51>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.