Sodann, ich weiß nicht mehr in welcher Verbindung und welchem Bezug, sagte Goethe folgendes sehr Be¬ deutende.
"Alles Große und Gescheidte, sagte er, existirt in der Minorität. Es hat Minister gegeben, die Volk und König gegen sich hatten, und die ihre großen Plane einsam durchführten. Es ist nie daran zu denken, daß die Vernunft popular werde. Leidenschaften und Gefühle mögen popular werden, aber die Vernunft wird immer nur im Besitz einzelner Vorzüglicher seyn."
Freytag, den 13. Februar 1829.
Mit Goethe allein zu Tisch. "Ich werde nach Be¬ endigung der Wanderjahre, sagte er, mich wieder zur Botanik wenden, um mit Soret die Übersetzung weiter zu bringen. Nur fürchte ich, daß es mich wieder ins Weite führt, und daß es zuletzt abermals ein Alp wird. Große Geheimnisse liegen noch verborgen, man¬ ches weiß ich, von vielem habe ich eine Ahndung. Et¬ was will ich Ihnen vertrauen und mich wunderlich aus¬ drücken."
"Die Pflanze geht von Knoten zu Knoten und schließt zuletzt ab mit der Blüthe und dem Samen. In der Thierwelt ist es nicht anders. Die Raupe, der Bandwurm, geht von Knoten zu Knoten und bildet
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Sodann, ich weiß nicht mehr in welcher Verbindung und welchem Bezug, ſagte Goethe folgendes ſehr Be¬ deutende.
„Alles Große und Geſcheidte, ſagte er, exiſtirt in der Minoritaͤt. Es hat Miniſter gegeben, die Volk und Koͤnig gegen ſich hatten, und die ihre großen Plane einſam durchfuͤhrten. Es iſt nie daran zu denken, daß die Vernunft popular werde. Leidenſchaften und Gefuͤhle moͤgen popular werden, aber die Vernunft wird immer nur im Beſitz einzelner Vorzuͤglicher ſeyn.“
Freytag, den 13. Februar 1829.
Mit Goethe allein zu Tiſch. „Ich werde nach Be¬ endigung der Wanderjahre, ſagte er, mich wieder zur Botanik wenden, um mit Soret die Überſetzung weiter zu bringen. Nur fuͤrchte ich, daß es mich wieder ins Weite fuͤhrt, und daß es zuletzt abermals ein Alp wird. Große Geheimniſſe liegen noch verborgen, man¬ ches weiß ich, von vielem habe ich eine Ahndung. Et¬ was will ich Ihnen vertrauen und mich wunderlich aus¬ druͤcken.“
„Die Pflanze geht von Knoten zu Knoten und ſchließt zuletzt ab mit der Bluͤthe und dem Samen. In der Thierwelt iſt es nicht anders. Die Raupe, der Bandwurm, geht von Knoten zu Knoten und bildet
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Sodann, ich weiß nicht mehr in welcher Verbindung
und welchem Bezug, ſagte Goethe folgendes ſehr Be¬
deutende.
„Alles Große und Geſcheidte, ſagte er, exiſtirt in
der Minoritaͤt. Es hat Miniſter gegeben, die Volk
und Koͤnig gegen ſich hatten, und die ihre großen Plane
einſam durchfuͤhrten. Es iſt nie daran zu denken, daß
die Vernunft popular werde. Leidenſchaften und Gefuͤhle
moͤgen popular werden, aber die Vernunft wird immer
nur im Beſitz einzelner Vorzuͤglicher ſeyn.“
Freytag, den 13. Februar 1829.
Mit Goethe allein zu Tiſch. „Ich werde nach Be¬
endigung der Wanderjahre, ſagte er, mich wieder
zur Botanik wenden, um mit Soret die Überſetzung
weiter zu bringen. Nur fuͤrchte ich, daß es mich wieder
ins Weite fuͤhrt, und daß es zuletzt abermals ein Alp
wird. Große Geheimniſſe liegen noch verborgen, man¬
ches weiß ich, von vielem habe ich eine Ahndung. Et¬
was will ich Ihnen vertrauen und mich wunderlich aus¬
druͤcken.“
„Die Pflanze geht von Knoten zu Knoten und
ſchließt zuletzt ab mit der Bluͤthe und dem Samen. In
der Thierwelt iſt es nicht anders. Die Raupe, der
Bandwurm, geht von Knoten zu Knoten und bildet
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/75>, abgerufen am 25.11.2024.
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