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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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Dünste, einem Heerrauch ähnlich, und verbreitete über
den Schnee einen durchaus gelben Schein; sie wirkte
mächtig genug, um entschiedene Schatten zu werfen,
und es hätte in diesem Fall, nach Goethe's Lehre, das
frischeste Blau entstehen müssen. Es entstand aber nicht,
die Schatten blieben grau.

Am nächsten Vormittage, bey bewölkter Atmosphäre,
blickte die Sonne von Zeit zu Zeit herdurch, und warf
auf dem Schnee entschiedene Schatten. Allein sie waren
ebenfalls nicht blau, sondern grau. In beyden Fällen
fehlte der Wiederschein des blauen Himmels, um dem
Schatten seine Färbung zu geben.

Ich hatte demnach eine hinreichende Überzeugung
gewonnen, daß Goethe's Ableitung des mehrgedachten
Phänomens von der Natur nicht als wahr bestätiget
werde, und daß seine diesen Gegenstand behandelnden
Paragraphen der Farbenlehre einer Umarbeitung dringend
bedürften.

Etwas Ähnliches begegnete mir mit den farbigen
Doppelschatten, die mit Hülfe eines Kerzenlichtes Mor¬
gens früh bey Tagesanbruch, so wie Abends in der
ersten Dämmerung, deßgleichen bey hellem Mondschein,
besonders schön gesehen werden. Daß hiebey der eine
Schatten, nämlich der vom Kerzenlichte erleuchtete, gelbe,
objectiver Art sey und in die Lehre von den trüben Mit¬
teln gehöre, hat Goethe nicht ausgesprochen, obgleich es
so ist; den andern, vom schwachen Tages- oder Mond¬

Duͤnſte, einem Heerrauch aͤhnlich, und verbreitete uͤber
den Schnee einen durchaus gelben Schein; ſie wirkte
maͤchtig genug, um entſchiedene Schatten zu werfen,
und es haͤtte in dieſem Fall, nach Goethe's Lehre, das
friſcheſte Blau entſtehen muͤſſen. Es entſtand aber nicht,
die Schatten blieben grau.

Am naͤchſten Vormittage, bey bewoͤlkter Atmoſphaͤre,
blickte die Sonne von Zeit zu Zeit herdurch, und warf
auf dem Schnee entſchiedene Schatten. Allein ſie waren
ebenfalls nicht blau, ſondern grau. In beyden Faͤllen
fehlte der Wiederſchein des blauen Himmels, um dem
Schatten ſeine Faͤrbung zu geben.

Ich hatte demnach eine hinreichende Überzeugung
gewonnen, daß Goethe's Ableitung des mehrgedachten
Phaͤnomens von der Natur nicht als wahr beſtaͤtiget
werde, und daß ſeine dieſen Gegenſtand behandelnden
Paragraphen der Farbenlehre einer Umarbeitung dringend
beduͤrften.

Etwas Ähnliches begegnete mir mit den farbigen
Doppelſchatten, die mit Huͤlfe eines Kerzenlichtes Mor¬
gens fruͤh bey Tagesanbruch, ſo wie Abends in der
erſten Daͤmmerung, deßgleichen bey hellem Mondſchein,
beſonders ſchoͤn geſehen werden. Daß hiebey der eine
Schatten, naͤmlich der vom Kerzenlichte erleuchtete, gelbe,
objectiver Art ſey und in die Lehre von den truͤben Mit¬
teln gehoͤre, hat Goethe nicht ausgeſprochen, obgleich es
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[79/0089] Duͤnſte, einem Heerrauch aͤhnlich, und verbreitete uͤber den Schnee einen durchaus gelben Schein; ſie wirkte maͤchtig genug, um entſchiedene Schatten zu werfen, und es haͤtte in dieſem Fall, nach Goethe's Lehre, das friſcheſte Blau entſtehen muͤſſen. Es entſtand aber nicht, die Schatten blieben grau. Am naͤchſten Vormittage, bey bewoͤlkter Atmoſphaͤre, blickte die Sonne von Zeit zu Zeit herdurch, und warf auf dem Schnee entſchiedene Schatten. Allein ſie waren ebenfalls nicht blau, ſondern grau. In beyden Faͤllen fehlte der Wiederſchein des blauen Himmels, um dem Schatten ſeine Faͤrbung zu geben. Ich hatte demnach eine hinreichende Überzeugung gewonnen, daß Goethe's Ableitung des mehrgedachten Phaͤnomens von der Natur nicht als wahr beſtaͤtiget werde, und daß ſeine dieſen Gegenſtand behandelnden Paragraphen der Farbenlehre einer Umarbeitung dringend beduͤrften. Etwas Ähnliches begegnete mir mit den farbigen Doppelſchatten, die mit Huͤlfe eines Kerzenlichtes Mor¬ gens fruͤh bey Tagesanbruch, ſo wie Abends in der erſten Daͤmmerung, deßgleichen bey hellem Mondſchein, beſonders ſchoͤn geſehen werden. Daß hiebey der eine Schatten, naͤmlich der vom Kerzenlichte erleuchtete, gelbe, objectiver Art ſey und in die Lehre von den truͤben Mit¬ teln gehoͤre, hat Goethe nicht ausgeſprochen, obgleich es ſo iſt; den andern, vom ſchwachen Tages- oder Mond¬

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/89>, abgerufen am 26.11.2024.