Zweifel einmal eine recht große Stadt werden, allein wir können immer noch einige Jahrhunderte warten, bis das Weimar'sche Volk eine hinlängliche Masse bildet, um ein Theater bauen und erhalten zu können."
Es war indessen angespannt und wir fuhren in den untern Garten. Der Abend war still und milde, fast etwas schwül, und es zeigten sich große Wolken, die sich gewitterhaft zu Massen zusammenzogen. Wir gingen in dem trockenen Sandwege auf und ab, Goethe still neben mir, scheinbar von allerlei Gedanken bewegt. Ich horchte indeß auf die Töne der Amsel und Drossel, die auf den Spitzen der noch unbelaubten Eschen jenseit der Ilm dem sich bildenden Gewitter entgegen sangen.
Goethe ließ seine Blicke umherschweifen, bald an den Wolken, bald über das Grün hin, das überall an den Seiten des Weges und auf der Wiese, wie an Bü¬ schen und Hecken, mächtig hervorquoll. "Ein warmer Gewitterregen, wie der Abend es verspricht, sagte er, und der Frühling wird in der ganzen Pracht und Fülle abermals wieder daseyn."
Indessen ward das Gewölk drohender, man hörte ein dumpfes Donnern, auch einige Tropfen fielen, und Goethe fand es gerathen, wieder in die Stadt zurückzu¬ fahren. "Wenn Sie nichts vorhaben, sagte er, als wir an seiner Wohnung abstiegen, so gehen Sie wohl mit hinauf und bleiben noch ein Stündchen bei mir." Wel¬ ches denn mit großer Freude von mir geschah.
Zweifel einmal eine recht große Stadt werden, allein wir können immer noch einige Jahrhunderte warten, bis das Weimar'ſche Volk eine hinlängliche Maſſe bildet, um ein Theater bauen und erhalten zu können.“
Es war indeſſen angeſpannt und wir fuhren in den untern Garten. Der Abend war ſtill und milde, faſt etwas ſchwül, und es zeigten ſich große Wolken, die ſich gewitterhaft zu Maſſen zuſammenzogen. Wir gingen in dem trockenen Sandwege auf und ab, Goethe ſtill neben mir, ſcheinbar von allerlei Gedanken bewegt. Ich horchte indeß auf die Töne der Amſel und Droſſel, die auf den Spitzen der noch unbelaubten Eſchen jenſeit der Ilm dem ſich bildenden Gewitter entgegen ſangen.
Goethe ließ ſeine Blicke umherſchweifen, bald an den Wolken, bald über das Grün hin, das überall an den Seiten des Weges und auf der Wieſe, wie an Bü¬ ſchen und Hecken, mächtig hervorquoll. „Ein warmer Gewitterregen, wie der Abend es verſpricht, ſagte er, und der Frühling wird in der ganzen Pracht und Fülle abermals wieder daſeyn.“
Indeſſen ward das Gewölk drohender, man hörte ein dumpfes Donnern, auch einige Tropfen fielen, und Goethe fand es gerathen, wieder in die Stadt zurückzu¬ fahren. „Wenn Sie nichts vorhaben, ſagte er, als wir an ſeiner Wohnung abſtiegen, ſo gehen Sie wohl mit hinauf und bleiben noch ein Stündchen bei mir.“ Wel¬ ches denn mit großer Freude von mir geſchah.
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Zweifel einmal eine recht große Stadt werden, allein
wir können immer noch einige Jahrhunderte warten,
bis das Weimar'ſche Volk eine hinlängliche Maſſe
bildet, um ein Theater bauen und erhalten zu können.“
Es war indeſſen angeſpannt und wir fuhren in
den untern Garten. Der Abend war ſtill und milde,
faſt etwas ſchwül, und es zeigten ſich große Wolken,
die ſich gewitterhaft zu Maſſen zuſammenzogen. Wir
gingen in dem trockenen Sandwege auf und ab, Goethe
ſtill neben mir, ſcheinbar von allerlei Gedanken bewegt.
Ich horchte indeß auf die Töne der Amſel und Droſſel,
die auf den Spitzen der noch unbelaubten Eſchen jenſeit
der Ilm dem ſich bildenden Gewitter entgegen ſangen.
Goethe ließ ſeine Blicke umherſchweifen, bald an
den Wolken, bald über das Grün hin, das überall an
den Seiten des Weges und auf der Wieſe, wie an Bü¬
ſchen und Hecken, mächtig hervorquoll. „Ein warmer
Gewitterregen, wie der Abend es verſpricht, ſagte er,
und der Frühling wird in der ganzen Pracht und Fülle
abermals wieder daſeyn.“
Indeſſen ward das Gewölk drohender, man hörte
ein dumpfes Donnern, auch einige Tropfen fielen, und
Goethe fand es gerathen, wieder in die Stadt zurückzu¬
fahren. „Wenn Sie nichts vorhaben, ſagte er, als wir
an ſeiner Wohnung abſtiegen, ſo gehen Sie wohl mit
hinauf und bleiben noch ein Stündchen bei mir.“ Wel¬
ches denn mit großer Freude von mir geſchah.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/107>, abgerufen am 24.11.2024.
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