zierfahrt nach der Hottelstedter Ecke, der westlichsten Höhe des Ettersberges, und von da nach dem Jagd¬ schloß Ettersburg einladen lassen. Der Tag war über¬ aus schön und wir fuhren zeitig zum Jacobsthore hinaus. Hinter Lützendorf, wo es stark bergan geht und wir nur Schritt fahren konnten, hatten wir zu allerlei Beobachtungen Gelegenheit. Goethe bemerkte rechts in den Hecken hinter dem Kammergut eine Menge Vögel und fragte mich: ob es Lerchen wären? -- Du Großer und Lieber, dachte ich, der Du die ganze Natur wie wenig Andere durchforschet hast, in der Ornithologie scheinst Du ein Kind zu seyn.
Es sind Ammern und Sperlinge, erwiederte ich, auch wohl einige verspätete Grasmücken, die nach abge¬ warteter Mauser aus dem Dickicht des Ettersberges herab in die Gärten und Felder kommen und sich zum Fortzuge anschicken; aber Lerchen sind es nicht. Es ist nicht in der Natur der Lerche, sich auf Büsche zu setzen. Die Feld- oder Himmels-Lerche steigt in die Luft aufwärts und geht wieder zur Erde herab, zieht auch wohl im Herbst schaarenweis durch die Luft hin und wirft sich wiederum auf irgend ein Stoppelfeld nieder, aber sie geht nicht auf Hecken und Gebüsche. Die Baumlerche dagegen liebt den Gipfel hoher Bäume, von wo aus sie singend in die Luft steigt und wieder auf ihren Baumgipfel herabfällt. Dann giebt es noch eine andere Lerche, die man in einsamen
zierfahrt nach der Hottelſtedter Ecke, der weſtlichſten Höhe des Ettersberges, und von da nach dem Jagd¬ ſchloß Ettersburg einladen laſſen. Der Tag war über¬ aus ſchön und wir fuhren zeitig zum Jacobsthore hinaus. Hinter Lützendorf, wo es ſtark bergan geht und wir nur Schritt fahren konnten, hatten wir zu allerlei Beobachtungen Gelegenheit. Goethe bemerkte rechts in den Hecken hinter dem Kammergut eine Menge Vögel und fragte mich: ob es Lerchen wären? — Du Großer und Lieber, dachte ich, der Du die ganze Natur wie wenig Andere durchforſchet haſt, in der Ornithologie ſcheinſt Du ein Kind zu ſeyn.
Es ſind Ammern und Sperlinge, erwiederte ich, auch wohl einige verſpätete Grasmücken, die nach abge¬ warteter Mauſer aus dem Dickicht des Ettersberges herab in die Gärten und Felder kommen und ſich zum Fortzuge anſchicken; aber Lerchen ſind es nicht. Es iſt nicht in der Natur der Lerche, ſich auf Büſche zu ſetzen. Die Feld- oder Himmels-Lerche ſteigt in die Luft aufwärts und geht wieder zur Erde herab, zieht auch wohl im Herbſt ſchaarenweis durch die Luft hin und wirft ſich wiederum auf irgend ein Stoppelfeld nieder, aber ſie geht nicht auf Hecken und Gebüſche. Die Baumlerche dagegen liebt den Gipfel hoher Bäume, von wo aus ſie ſingend in die Luft ſteigt und wieder auf ihren Baumgipfel herabfällt. Dann giebt es noch eine andere Lerche, die man in einſamen
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zierfahrt nach der Hottelſtedter Ecke, der weſtlichſten
Höhe des Ettersberges, und von da nach dem Jagd¬
ſchloß Ettersburg einladen laſſen. Der Tag war über¬
aus ſchön und wir fuhren zeitig zum Jacobsthore
hinaus. Hinter Lützendorf, wo es ſtark bergan geht
und wir nur Schritt fahren konnten, hatten wir zu
allerlei Beobachtungen Gelegenheit. Goethe bemerkte
rechts in den Hecken hinter dem Kammergut eine Menge
Vögel und fragte mich: ob es Lerchen wären? —
Du Großer und Lieber, dachte ich, der Du die ganze
Natur wie wenig Andere durchforſchet haſt, in der
Ornithologie ſcheinſt Du ein Kind zu ſeyn.
Es ſind Ammern und Sperlinge, erwiederte ich,
auch wohl einige verſpätete Grasmücken, die nach abge¬
warteter Mauſer aus dem Dickicht des Ettersberges
herab in die Gärten und Felder kommen und ſich zum
Fortzuge anſchicken; aber Lerchen ſind es nicht. Es iſt
nicht in der Natur der Lerche, ſich auf Büſche zu
ſetzen. Die Feld- oder Himmels-Lerche ſteigt in die
Luft aufwärts und geht wieder zur Erde herab, zieht
auch wohl im Herbſt ſchaarenweis durch die Luft hin
und wirft ſich wiederum auf irgend ein Stoppelfeld
nieder, aber ſie geht nicht auf Hecken und Gebüſche.
Die Baumlerche dagegen liebt den Gipfel hoher
Bäume, von wo aus ſie ſingend in die Luft ſteigt und
wieder auf ihren Baumgipfel herabfällt. Dann giebt
es noch eine andere Lerche, die man in einſamen
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/202>, abgerufen am 21.11.2024.
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