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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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von seinem Werthe durchdrungen ist, wie ich, weiß gar
nicht, wie er sein Andenken würdig genug ehren soll."

Es war indeß gegen sechs Uhr geworden und
Goethe fand es an der Zeit, in unser Nachtquartier
zu gehen, das er im Gasthof "Zum Bären" hatte be¬
stellen lassen.

Man gab uns ein geräumiges Zimmer nebst einem
Alkoven mit zwei Betten. Die Sonne war noch nicht
lange hinab, der Abendschein lag auf unsern Fenstern,
und es war uns gemüthlich, noch eine Zeitlang ohne
Licht zu sitzen.

Goethe lenkte das Gespräch auf Voß zurück. "Er
war mir sehr werth, sagte er, und ich hätte ihn gerne
der Academie und mir erhalten. Allein die Vortheile,
die man ihm von Heidelberg her anbot, waren zu be¬
deutend, als daß wir, bei unsern geringen Mitteln,
sie hätten aufwiegen können. Ich mußte ihn mit
schmerzlicher Resignation ziehen lassen."

"Ein Glück für mich war es indeß, fuhr Goethe
fort, daß ich Schillern hatte. Denn so verschieden
unsere beiderseitigen Naturen auch waren, so gingen
doch unsere Richtungen auf Eins, welches denn unser
Verhältniß so innig machte, daß im Grunde Keiner
ohne den Andern leben konnte."

Goethe erzählte mir darauf von seinem Freunde
einige Anekdoten, die mir sehr charakteristisch erschienen.

"Schiller war, wie sich bei seinem großartigen

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von ſeinem Werthe durchdrungen iſt, wie ich, weiß gar
nicht, wie er ſein Andenken würdig genug ehren ſoll.“

Es war indeß gegen ſechs Uhr geworden und
Goethe fand es an der Zeit, in unſer Nachtquartier
zu gehen, das er im Gaſthof „Zum Bären“ hatte be¬
ſtellen laſſen.

Man gab uns ein geräumiges Zimmer nebſt einem
Alkoven mit zwei Betten. Die Sonne war noch nicht
lange hinab, der Abendſchein lag auf unſern Fenſtern,
und es war uns gemüthlich, noch eine Zeitlang ohne
Licht zu ſitzen.

Goethe lenkte das Geſpräch auf Voß zurück. „Er
war mir ſehr werth, ſagte er, und ich hätte ihn gerne
der Academie und mir erhalten. Allein die Vortheile,
die man ihm von Heidelberg her anbot, waren zu be¬
deutend, als daß wir, bei unſern geringen Mitteln,
ſie hätten aufwiegen können. Ich mußte ihn mit
ſchmerzlicher Reſignation ziehen laſſen.“

„Ein Glück für mich war es indeß, fuhr Goethe
fort, daß ich Schillern hatte. Denn ſo verſchieden
unſere beiderſeitigen Naturen auch waren, ſo gingen
doch unſere Richtungen auf Eins, welches denn unſer
Verhältniß ſo innig machte, daß im Grunde Keiner
ohne den Andern leben konnte.“

Goethe erzählte mir darauf von ſeinem Freunde
einige Anekdoten, die mir ſehr charakteriſtiſch erſchienen.

„Schiller war, wie ſich bei ſeinem großartigen

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[195/0217] von ſeinem Werthe durchdrungen iſt, wie ich, weiß gar nicht, wie er ſein Andenken würdig genug ehren ſoll.“ Es war indeß gegen ſechs Uhr geworden und Goethe fand es an der Zeit, in unſer Nachtquartier zu gehen, das er im Gaſthof „Zum Bären“ hatte be¬ ſtellen laſſen. Man gab uns ein geräumiges Zimmer nebſt einem Alkoven mit zwei Betten. Die Sonne war noch nicht lange hinab, der Abendſchein lag auf unſern Fenſtern, und es war uns gemüthlich, noch eine Zeitlang ohne Licht zu ſitzen. Goethe lenkte das Geſpräch auf Voß zurück. „Er war mir ſehr werth, ſagte er, und ich hätte ihn gerne der Academie und mir erhalten. Allein die Vortheile, die man ihm von Heidelberg her anbot, waren zu be¬ deutend, als daß wir, bei unſern geringen Mitteln, ſie hätten aufwiegen können. Ich mußte ihn mit ſchmerzlicher Reſignation ziehen laſſen.“ „Ein Glück für mich war es indeß, fuhr Goethe fort, daß ich Schillern hatte. Denn ſo verſchieden unſere beiderſeitigen Naturen auch waren, ſo gingen doch unſere Richtungen auf Eins, welches denn unſer Verhältniß ſo innig machte, daß im Grunde Keiner ohne den Andern leben konnte.“ Goethe erzählte mir darauf von ſeinem Freunde einige Anekdoten, die mir ſehr charakteriſtiſch erſchienen. „Schiller war, wie ſich bei ſeinem großartigen 13*

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/217>, abgerufen am 21.11.2024.