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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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Goethe zeigte mir heute seine reiche Fossilien-Samm¬
lung, die sich in dem freistehenden Pavillon an seinem
Hausgarten befindet. Die Sammlung ist durch ihn
selber angelegt, durch seinen Sohn stark vermehrt, und
besonders merkwürdig durch eine zahlreiche Folge ver¬
steinerter Knochen, die alle in der Umgebung von Wei¬
mar gefunden worden.


Bei Goethe zu Tisch mit Herrn v. Martius, der
seit einigen Tagen hier ist und sich mit Goethe über
botanische Gegenstände bespricht. Besonders ist es die
Spiraltendenz der Pflanzen, worin Herr v. Martius
wichtige Entdeckungen gemacht, die er Goethen mittheilt,
dem sich dadurch ein neues Feld eröffnet. Goethe schien
die Idee seines Freundes mit einer Art jugendlicher
Leidenschaftlichkeit aufzunehmen. "Für die Physiologie
der Pflanzen, sagte er, ist damit sehr viel gewonnen.
Das neue Apercü der Spiraltendenz ist meiner Me¬
tamorphosenlehre durchaus gemäß, es ist auf demselbi¬
gen Wege gefunden, aber es ist damit ein ungeheurer
Schritt vorwärts gethan."


Goethe liest seit einiger Zeit sehr eifrig den Globe
und macht dieses Blatt sehr oft zum Gegenstand seines

Goethe zeigte mir heute ſeine reiche Foſſilien-Samm¬
lung, die ſich in dem freiſtehenden Pavillon an ſeinem
Hausgarten befindet. Die Sammlung iſt durch ihn
ſelber angelegt, durch ſeinen Sohn ſtark vermehrt, und
beſonders merkwürdig durch eine zahlreiche Folge ver¬
ſteinerter Knochen, die alle in der Umgebung von Wei¬
mar gefunden worden.


Bei Goethe zu Tiſch mit Herrn v. Martius, der
ſeit einigen Tagen hier iſt und ſich mit Goethe über
botaniſche Gegenſtände beſpricht. Beſonders iſt es die
Spiraltendenz der Pflanzen, worin Herr v. Martius
wichtige Entdeckungen gemacht, die er Goethen mittheilt,
dem ſich dadurch ein neues Feld eröffnet. Goethe ſchien
die Idee ſeines Freundes mit einer Art jugendlicher
Leidenſchaftlichkeit aufzunehmen. „Für die Phyſiologie
der Pflanzen, ſagte er, iſt damit ſehr viel gewonnen.
Das neue Aperçü der Spiraltendenz iſt meiner Me¬
tamorphoſenlehre durchaus gemäß, es iſt auf demſelbi¬
gen Wege gefunden, aber es iſt damit ein ungeheurer
Schritt vorwärts gethan.“


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[256/0278] Freitag, den 26. September 1828*. Goethe zeigte mir heute ſeine reiche Foſſilien-Samm¬ lung, die ſich in dem freiſtehenden Pavillon an ſeinem Hausgarten befindet. Die Sammlung iſt durch ihn ſelber angelegt, durch ſeinen Sohn ſtark vermehrt, und beſonders merkwürdig durch eine zahlreiche Folge ver¬ ſteinerter Knochen, die alle in der Umgebung von Wei¬ mar gefunden worden. Montag, den 6. October 1828*. Bei Goethe zu Tiſch mit Herrn v. Martius, der ſeit einigen Tagen hier iſt und ſich mit Goethe über botaniſche Gegenſtände beſpricht. Beſonders iſt es die Spiraltendenz der Pflanzen, worin Herr v. Martius wichtige Entdeckungen gemacht, die er Goethen mittheilt, dem ſich dadurch ein neues Feld eröffnet. Goethe ſchien die Idee ſeines Freundes mit einer Art jugendlicher Leidenſchaftlichkeit aufzunehmen. „Für die Phyſiologie der Pflanzen, ſagte er, iſt damit ſehr viel gewonnen. Das neue Aperçü der Spiraltendenz iſt meiner Me¬ tamorphoſenlehre durchaus gemäß, es iſt auf demſelbi¬ gen Wege gefunden, aber es iſt damit ein ungeheurer Schritt vorwärts gethan.“ Freitag, den 17. October 1828*. Goethe lieſt ſeit einiger Zeit ſehr eifrig den Globe und macht dieſes Blatt ſehr oft zum Gegenſtand ſeines

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/278>, abgerufen am 22.11.2024.