besonderen Platz geben." Man sah es Goethen an, daß diese Huldigung der jungen Dichter Frankreichs ihn innerlichst beglückte.
Er las darauf Einiges in den "Studien" von Camille Deschamps. Die Uebersetzung der "Braut von Corinth" lobte er, als treu und sehr gelungen. "Ich besitze, sagte er, das Manuscript einer italieni¬ schen Uebersetzung dieses Gedichts, welches das Original bis zum Rythmus wiedergiebt."
Die Braut von Corinth gab Goethen Anlaß, auch von seinen übrigen Balladen zu reden. "Ich verdanke sie größtentheils Schillern, sagte er, der mich dazu trieb, weil er immer etwas Neues für seine Horen brauchte. Ich hatte sie alle schon seit vielen Jahren im Kopf, sie beschäftigten meinen Geist als anmuthige Bilder, als schöne Träume, die kamen und gingen und womit die Phantasie mich spielend beglückte. Ich entschloß mich ungern dazu, diesen mir seit so lange befreundeten glänzenden Erscheinungen ein Lebewohl zu sagen, indem ich ihnen durch das ungenügende dürftige Wort einen Körper verlieh. Als sie auf dem Papiere standen, be¬ trachtete ich sie mit einem Gemisch von Wehmuth; es war mir, als sollte ich mich auf immer von einem ge¬ liebten Freunde trennen."
"Zu anderen Zeiten, fuhr Goethe fort, ging es mir mit meinen Gedichten gänzlich anders. Ich hatte da¬ von vorher durchaus keine Eindrücke und keine Ahnung,
beſonderen Platz geben.“ Man ſah es Goethen an, daß dieſe Huldigung der jungen Dichter Frankreichs ihn innerlichſt beglückte.
Er las darauf Einiges in den „Studien“ von Camille Deschamps. Die Ueberſetzung der „Braut von Corinth“ lobte er, als treu und ſehr gelungen. „Ich beſitze, ſagte er, das Manuſcript einer italieni¬ ſchen Ueberſetzung dieſes Gedichts, welches das Original bis zum Rythmus wiedergiebt.“
Die Braut von Corinth gab Goethen Anlaß, auch von ſeinen übrigen Balladen zu reden. „Ich verdanke ſie größtentheils Schillern, ſagte er, der mich dazu trieb, weil er immer etwas Neues für ſeine Horen brauchte. Ich hatte ſie alle ſchon ſeit vielen Jahren im Kopf, ſie beſchäftigten meinen Geiſt als anmuthige Bilder, als ſchöne Träume, die kamen und gingen und womit die Phantaſie mich ſpielend beglückte. Ich entſchloß mich ungern dazu, dieſen mir ſeit ſo lange befreundeten glänzenden Erſcheinungen ein Lebewohl zu ſagen, indem ich ihnen durch das ungenügende dürftige Wort einen Körper verlieh. Als ſie auf dem Papiere ſtanden, be¬ trachtete ich ſie mit einem Gemiſch von Wehmuth; es war mir, als ſollte ich mich auf immer von einem ge¬ liebten Freunde trennen.“
„Zu anderen Zeiten, fuhr Goethe fort, ging es mir mit meinen Gedichten gänzlich anders. Ich hatte da¬ von vorher durchaus keine Eindrücke und keine Ahnung,
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beſonderen Platz geben.“ Man ſah es Goethen an,
daß dieſe Huldigung der jungen Dichter Frankreichs ihn
innerlichſt beglückte.
Er las darauf Einiges in den „Studien“ von
Camille Deschamps. Die Ueberſetzung der „Braut
von Corinth“ lobte er, als treu und ſehr gelungen.
„Ich beſitze, ſagte er, das Manuſcript einer italieni¬
ſchen Ueberſetzung dieſes Gedichts, welches das Original
bis zum Rythmus wiedergiebt.“
Die Braut von Corinth gab Goethen Anlaß, auch
von ſeinen übrigen Balladen zu reden. „Ich verdanke
ſie größtentheils Schillern, ſagte er, der mich dazu trieb,
weil er immer etwas Neues für ſeine Horen brauchte.
Ich hatte ſie alle ſchon ſeit vielen Jahren im Kopf,
ſie beſchäftigten meinen Geiſt als anmuthige Bilder,
als ſchöne Träume, die kamen und gingen und womit
die Phantaſie mich ſpielend beglückte. Ich entſchloß
mich ungern dazu, dieſen mir ſeit ſo lange befreundeten
glänzenden Erſcheinungen ein Lebewohl zu ſagen, indem
ich ihnen durch das ungenügende dürftige Wort einen
Körper verlieh. Als ſie auf dem Papiere ſtanden, be¬
trachtete ich ſie mit einem Gemiſch von Wehmuth; es
war mir, als ſollte ich mich auf immer von einem ge¬
liebten Freunde trennen.“
„Zu anderen Zeiten, fuhr Goethe fort, ging es mir
mit meinen Gedichten gänzlich anders. Ich hatte da¬
von vorher durchaus keine Eindrücke und keine Ahnung,
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/326>, abgerufen am 25.11.2024.
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