sehr groß war. Er empfing darauf den Großherzog und schien später von dem Besuch nicht angegriffen. In seinem Arbeitszimmer fand ich heute weniger Per¬ sonen, woraus ich zu meiner Freude schloß, daß meine gestrige Bemerkung etwas gefruchtet hatte.
Nun aber, da die Krankheit gehoben ist, scheint man die Folgen zu fürchten. Seine linke Hand ist geschwollen und es zeigen sich drohende Vorboten der Wassersucht. Erst in einigen Tagen wird man wissen, was man von dem endlichen Ausgang der Krankheit zu halten hat. Goethe hat heute das erstemal nach einem seiner Freunde verlangt, nämlich nach seinem ältesten Freunde Meyer. Er wollte ihm eine seltene Medaille zeigen, die er aus Böhmen erhalten hat und worüber er entzückt ist.
Ich kam um zwölf Uhr, und da Goethe hörte, daß ich dort war, ließ er mich in seine Nähe rufen. Er reichte mir die Hand, indem er mir sagte: "Sie sehen in mir einen vom Tode Erstandenen." Er beauftragte mich sodann, Ihrer Kaiserlichen Hoheit für die Theilnahme zu danken, die sie ihm während seiner Krankheit be¬ wiesen. "Meine Genesung wird sehr langsam seyn, fügte er darauf hinzu, aber den Herren Aerzten bleibt doch nichtsdestoweniger die Ehre, ein kleines Wunder an mir gethan zu haben."
Nach ein paar Minuten zog ich mich zurück. Seine Farbe ist gut, allein er ist sehr abgemagert und athmet
ſehr groß war. Er empfing darauf den Großherzog und ſchien ſpäter von dem Beſuch nicht angegriffen. In ſeinem Arbeitszimmer fand ich heute weniger Per¬ ſonen, woraus ich zu meiner Freude ſchloß, daß meine geſtrige Bemerkung etwas gefruchtet hatte.
Nun aber, da die Krankheit gehoben iſt, ſcheint man die Folgen zu fürchten. Seine linke Hand iſt geſchwollen und es zeigen ſich drohende Vorboten der Waſſerſucht. Erſt in einigen Tagen wird man wiſſen, was man von dem endlichen Ausgang der Krankheit zu halten hat. Goethe hat heute das erſtemal nach einem ſeiner Freunde verlangt, nämlich nach ſeinem älteſten Freunde Meyer. Er wollte ihm eine ſeltene Medaille zeigen, die er aus Böhmen erhalten hat und worüber er entzückt iſt.
Ich kam um zwölf Uhr, und da Goethe hörte, daß ich dort war, ließ er mich in ſeine Nähe rufen. Er reichte mir die Hand, indem er mir ſagte: „Sie ſehen in mir einen vom Tode Erſtandenen.“ Er beauftragte mich ſodann, Ihrer Kaiſerlichen Hoheit für die Theilnahme zu danken, die ſie ihm während ſeiner Krankheit be¬ wieſen. „Meine Geneſung wird ſehr langſam ſeyn, fügte er darauf hinzu, aber den Herren Aerzten bleibt doch nichtsdeſtoweniger die Ehre, ein kleines Wunder an mir gethan zu haben.“
Nach ein paar Minuten zog ich mich zurück. Seine Farbe iſt gut, allein er iſt ſehr abgemagert und athmet
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ſehr groß war. Er empfing darauf den Großherzog
und ſchien ſpäter von dem Beſuch nicht angegriffen.
In ſeinem Arbeitszimmer fand ich heute weniger Per¬
ſonen, woraus ich zu meiner Freude ſchloß, daß meine
geſtrige Bemerkung etwas gefruchtet hatte.
Nun aber, da die Krankheit gehoben iſt, ſcheint
man die Folgen zu fürchten. Seine linke Hand iſt
geſchwollen und es zeigen ſich drohende Vorboten der
Waſſerſucht. Erſt in einigen Tagen wird man wiſſen,
was man von dem endlichen Ausgang der Krankheit zu
halten hat. Goethe hat heute das erſtemal nach einem
ſeiner Freunde verlangt, nämlich nach ſeinem älteſten
Freunde Meyer. Er wollte ihm eine ſeltene Medaille
zeigen, die er aus Böhmen erhalten hat und worüber
er entzückt iſt.
Ich kam um zwölf Uhr, und da Goethe hörte, daß
ich dort war, ließ er mich in ſeine Nähe rufen. Er
reichte mir die Hand, indem er mir ſagte: „Sie ſehen
in mir einen vom Tode Erſtandenen.“ Er beauftragte
mich ſodann, Ihrer Kaiſerlichen Hoheit für die Theilnahme
zu danken, die ſie ihm während ſeiner Krankheit be¬
wieſen. „Meine Geneſung wird ſehr langſam ſeyn,
fügte er darauf hinzu, aber den Herren Aerzten bleibt
doch nichtsdeſtoweniger die Ehre, ein kleines Wunder
an mir gethan zu haben.“
Nach ein paar Minuten zog ich mich zurück. Seine
Farbe iſt gut, allein er iſt ſehr abgemagert und athmet
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/36>, abgerufen am 21.11.2024.
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