die vor Christus gelebt, unter Chinesen, Indiern, Per¬ sern und Griechen, und daß die Kraft Gottes in ihnen ebenso wirksam gewesen, als in einigen großen Juden des Alten Testamentes. Auch kamen wir auf die Frage: wie es mit Gottes Wirkungen stehe in großen Naturen der jetzigen Welt, in der wir leben?
"Wenn man die Leute reden hört, sagte Goethe, so sollte man fast glauben, sie seyen der Meinung, Gott habe sich seit jener alten Zeit ganz in die Stille zurückgezogen, und der Mensch wäre jetzt ganz auf eigene Füße gestellt und müsse sehen, wie er ohne Gott und sein tägliches unsichtbares Anhauchen zurecht komme. In religiösen und moralischen Dingen giebt man noch allenfalls eine göttliche Einwirkung zu, allein in Din¬ gen der Wissenschaft und Künste glaubt man, es sey lauter Irdisches und nichts weiter als ein Product rein menschlicher Kräfte."
"Versuche es aber doch nur Einer und bringe mit menschlichem Wollen und menschlichen Kräften etwas hervor, das den Schöpfungen, die den Namen Mozart, Raphael oder Shakspeare tragen, sich an die Seite setzen lasse. Ich weiß recht wohl, daß diese drei Edlen keineswegs die Einzigen sind, und daß in allen Gebie¬ ten der Kunst eine Unzahl trefflicher Geister gewirkt hat, die vollkommen so Gutes hervorgebracht, als jene Genannten. Allein, waren sie so groß als Jene, so überragten sie die gewöhnliche Menschennatur in eben
die vor Chriſtus gelebt, unter Chineſen, Indiern, Per¬ ſern und Griechen, und daß die Kraft Gottes in ihnen ebenſo wirkſam geweſen, als in einigen großen Juden des Alten Teſtamentes. Auch kamen wir auf die Frage: wie es mit Gottes Wirkungen ſtehe in großen Naturen der jetzigen Welt, in der wir leben?
„Wenn man die Leute reden hört, ſagte Goethe, ſo ſollte man faſt glauben, ſie ſeyen der Meinung, Gott habe ſich ſeit jener alten Zeit ganz in die Stille zurückgezogen, und der Menſch wäre jetzt ganz auf eigene Füße geſtellt und müſſe ſehen, wie er ohne Gott und ſein tägliches unſichtbares Anhauchen zurecht komme. In religiöſen und moraliſchen Dingen giebt man noch allenfalls eine göttliche Einwirkung zu, allein in Din¬ gen der Wiſſenſchaft und Künſte glaubt man, es ſey lauter Irdiſches und nichts weiter als ein Product rein menſchlicher Kräfte.“
„Verſuche es aber doch nur Einer und bringe mit menſchlichem Wollen und menſchlichen Kräften etwas hervor, das den Schöpfungen, die den Namen Mozart, Raphael oder Shakſpeare tragen, ſich an die Seite ſetzen laſſe. Ich weiß recht wohl, daß dieſe drei Edlen keineswegs die Einzigen ſind, und daß in allen Gebie¬ ten der Kunſt eine Unzahl trefflicher Geiſter gewirkt hat, die vollkommen ſo Gutes hervorgebracht, als jene Genannten. Allein, waren ſie ſo groß als Jene, ſo überragten ſie die gewöhnliche Menſchennatur in eben
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die vor Chriſtus gelebt, unter Chineſen, Indiern, Per¬
ſern und Griechen, und daß die Kraft Gottes in ihnen
ebenſo wirkſam geweſen, als in einigen großen Juden
des Alten Teſtamentes. Auch kamen wir auf die Frage:
wie es mit Gottes Wirkungen ſtehe in großen Naturen
der jetzigen Welt, in der wir leben?
„Wenn man die Leute reden hört, ſagte Goethe,
ſo ſollte man faſt glauben, ſie ſeyen der Meinung,
Gott habe ſich ſeit jener alten Zeit ganz in die Stille
zurückgezogen, und der Menſch wäre jetzt ganz auf
eigene Füße geſtellt und müſſe ſehen, wie er ohne Gott
und ſein tägliches unſichtbares Anhauchen zurecht komme.
In religiöſen und moraliſchen Dingen giebt man noch
allenfalls eine göttliche Einwirkung zu, allein in Din¬
gen der Wiſſenſchaft und Künſte glaubt man, es ſey
lauter Irdiſches und nichts weiter als ein Product
rein menſchlicher Kräfte.“
„Verſuche es aber doch nur Einer und bringe mit
menſchlichem Wollen und menſchlichen Kräften etwas
hervor, das den Schöpfungen, die den Namen Mozart,
Raphael oder Shakſpeare tragen, ſich an die Seite
ſetzen laſſe. Ich weiß recht wohl, daß dieſe drei Edlen
keineswegs die Einzigen ſind, und daß in allen Gebie¬
ten der Kunſt eine Unzahl trefflicher Geiſter gewirkt
hat, die vollkommen ſo Gutes hervorgebracht, als jene
Genannten. Allein, waren ſie ſo groß als Jene, ſo
überragten ſie die gewöhnliche Menſchennatur in eben
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/396>, abgerufen am 22.11.2024.
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