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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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Nacht wenig geschlafen; ich sah aus meinen vorderen
Fenstern die Flamme unaufhörlich gegen den Himmel
steigen. Sie mögen denken, daß mir mancher Gedanke
an die alten Zeiten, an meine vieljährigen Wirkungen
mit Schiller, und an das Herankommen und Wachsen
manches lieben Zöglings durch die Seele gegangen ist
und daß ich nicht ohne einige innere Bewegung davon
gekommen bin. Ich denke mich daher heute auch ganz
weislich zu Bette zu halten."

Ich lobte ihn wegen seiner Vorsicht. Doch schien
er mir nicht im Geringsten schwach und angegriffen,
vielmehr ganz behaglich und heiterer Seele. Es schien
mir vielmehr dieses im Bette Liegen eine alte Kriegslist
zu seyn, die er bei irgend einem außerordentlichen
Ereigniß anzuwenden pflegt, wo er den Zudrang vieler
Besuche fürchtet.

Goethe bat mich, auf einem Stuhl vor seinem Bette
Platz zu nehmen und ein wenig dazubleiben. "Ich
habe viel an Euch gedacht und Euch bedauert, sagte
er. Was wollt Ihr nun mit Euren Abenden anfan¬
gen!"

Sie wissen, erwiederte ich, wie leidenschaftlich ich
das Theater liebe. Als ich vor zwei Jahren hierher
kam, kannte ich, außer drei bis vier Stücken, die ich in
Hannover gesehen, so gut wie gar nichts. Nun war
mir Alles neu, Personal wie Stücke; und da ich nun
nach Ihrem Rath mich ganz den Eindrücken der Gegen¬

Nacht wenig geſchlafen; ich ſah aus meinen vorderen
Fenſtern die Flamme unaufhörlich gegen den Himmel
ſteigen. Sie mögen denken, daß mir mancher Gedanke
an die alten Zeiten, an meine vieljährigen Wirkungen
mit Schiller, und an das Herankommen und Wachſen
manches lieben Zöglings durch die Seele gegangen iſt
und daß ich nicht ohne einige innere Bewegung davon
gekommen bin. Ich denke mich daher heute auch ganz
weislich zu Bette zu halten.“

Ich lobte ihn wegen ſeiner Vorſicht. Doch ſchien
er mir nicht im Geringſten ſchwach und angegriffen,
vielmehr ganz behaglich und heiterer Seele. Es ſchien
mir vielmehr dieſes im Bette Liegen eine alte Kriegsliſt
zu ſeyn, die er bei irgend einem außerordentlichen
Ereigniß anzuwenden pflegt, wo er den Zudrang vieler
Beſuche fürchtet.

Goethe bat mich, auf einem Stuhl vor ſeinem Bette
Platz zu nehmen und ein wenig dazubleiben. „Ich
habe viel an Euch gedacht und Euch bedauert, ſagte
er. Was wollt Ihr nun mit Euren Abenden anfan¬
gen!“

Sie wiſſen, erwiederte ich, wie leidenſchaftlich ich
das Theater liebe. Als ich vor zwei Jahren hierher
kam, kannte ich, außer drei bis vier Stücken, die ich in
Hannover geſehen, ſo gut wie gar nichts. Nun war
mir Alles neu, Perſonal wie Stücke; und da ich nun
nach Ihrem Rath mich ganz den Eindrücken der Gegen¬

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[62/0084] Nacht wenig geſchlafen; ich ſah aus meinen vorderen Fenſtern die Flamme unaufhörlich gegen den Himmel ſteigen. Sie mögen denken, daß mir mancher Gedanke an die alten Zeiten, an meine vieljährigen Wirkungen mit Schiller, und an das Herankommen und Wachſen manches lieben Zöglings durch die Seele gegangen iſt und daß ich nicht ohne einige innere Bewegung davon gekommen bin. Ich denke mich daher heute auch ganz weislich zu Bette zu halten.“ Ich lobte ihn wegen ſeiner Vorſicht. Doch ſchien er mir nicht im Geringſten ſchwach und angegriffen, vielmehr ganz behaglich und heiterer Seele. Es ſchien mir vielmehr dieſes im Bette Liegen eine alte Kriegsliſt zu ſeyn, die er bei irgend einem außerordentlichen Ereigniß anzuwenden pflegt, wo er den Zudrang vieler Beſuche fürchtet. Goethe bat mich, auf einem Stuhl vor ſeinem Bette Platz zu nehmen und ein wenig dazubleiben. „Ich habe viel an Euch gedacht und Euch bedauert, ſagte er. Was wollt Ihr nun mit Euren Abenden anfan¬ gen!“ Sie wiſſen, erwiederte ich, wie leidenſchaftlich ich das Theater liebe. Als ich vor zwei Jahren hierher kam, kannte ich, außer drei bis vier Stücken, die ich in Hannover geſehen, ſo gut wie gar nichts. Nun war mir Alles neu, Perſonal wie Stücke; und da ich nun nach Ihrem Rath mich ganz den Eindrücken der Gegen¬

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/84>, abgerufen am 23.11.2024.