[Eckstein, Ernst:] Dudler und Dulder. Studien über die Anmaßungen der Tonkunst. Leipzig, 1893.lag die kritisch-literarische Zeitschrift aus den neunziger Jahren ...... Und nun halte man mit dem logischen Resultat dieser Halbschlaf-Vision, deren Basis durchaus nicht visionär, sondern enorm thatsächlich ist, die unverständigen Auslassungen gewisser Musik-Enthusiasten zusammen, die sich geberden, als gäbe es aus dem Gebiete des Musikalisch-Wertvollen keinerlei Wandlungen! Nur Hanslick begreift, daß es hier mit den "ewigen Schönheitsgesetzen" übel bestellt ist; er sieht theoretisch ein, was die Erfahrung unausgesetzt lehrt, wiewohl sie stocktauben Ohren predigt. Er schreibt: "Das berühmte Axiom, es könne das ,wahrhaft Schöne' (- wer ist Richter über diese Eigenschaft? -) niemals, auch nach längstem Zeitlauf, seinen Zauber einbüßen, ist für die Musik wenig mehr, als eine schöne Redensart. Die Tonkunst macht es wie die Natur, welche mit jedem Herbst eine Welt voll Blumen zu Moder werden läßt, aus dem neue Blüten entstehen. Alle Tondichtung ist Menschenwerk, Produkt einer bestimmten Individualität, Zeit, Cultur, und darum stets durchzogen von Elementen schnellerer oder langsamerer Sterblichkeit. Unter den großen Musikformen ist wieder die Oper die zusammengesetzteste, conventionellste und daher vergänglichste." Und dann fügt er hinzu: "Dem schönen Unsterblichkeitsglauben müssen wir entsagen. Hat doch jede Zeit mit demselben getäuschten Vertrauen die Unvergänglichkeit ihrer besten Oper proklamirt. Noch Adam Hiller in Leipzig behauptete, daß wenn jemals die Opern Hasse's nicht mehr entzücken sollten, die allgemeine Barbarei hereinbrechen müßte. Noch Schubart, der lag die kritisch-literarische Zeitschrift aus den neunziger Jahren …… Und nun halte man mit dem logischen Resultat dieser Halbschlaf-Vision, deren Basis durchaus nicht visionär, sondern enorm thatsächlich ist, die unverständigen Auslassungen gewisser Musik-Enthusiasten zusammen, die sich geberden, als gäbe es aus dem Gebiete des Musikalisch-Wertvollen keinerlei Wandlungen! Nur Hanslick begreift, daß es hier mit den „ewigen Schönheitsgesetzen“ übel bestellt ist; er sieht theoretisch ein, was die Erfahrung unausgesetzt lehrt, wiewohl sie stocktauben Ohren predigt. Er schreibt: „Das berühmte Axiom, es könne das ‚wahrhaft Schöne‘ (– wer ist Richter über diese Eigenschaft? –) niemals, auch nach längstem Zeitlauf, seinen Zauber einbüßen, ist für die Musik wenig mehr, als eine schöne Redensart. Die Tonkunst macht es wie die Natur, welche mit jedem Herbst eine Welt voll Blumen zu Moder werden läßt, aus dem neue Blüten entstehen. Alle Tondichtung ist Menschenwerk, Produkt einer bestimmten Individualität, Zeit, Cultur, und darum stets durchzogen von Elementen schnellerer oder langsamerer Sterblichkeit. Unter den großen Musikformen ist wieder die Oper die zusammengesetzteste, conventionellste und daher vergänglichste.“ Und dann fügt er hinzu: „Dem schönen Unsterblichkeitsglauben müssen wir entsagen. Hat doch jede Zeit mit demselben getäuschten Vertrauen die Unvergänglichkeit ihrer besten Oper proklamirt. Noch Adam Hiller in Leipzig behauptete, daß wenn jemals die Opern Hasse’s nicht mehr entzücken sollten, die allgemeine Barbarei hereinbrechen müßte. 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Die Tonkunst macht es wie die Natur, welche mit jedem Herbst eine Welt voll Blumen zu Moder werden läßt, aus dem neue Blüten entstehen. Alle Tondichtung ist Menschenwerk, Produkt einer bestimmten Individualität, Zeit, Cultur, und darum stets durchzogen von Elementen schnellerer oder langsamerer Sterblichkeit. Unter den großen Musikformen ist wieder die Oper die zusammengesetzteste, conventionellste und daher vergänglichste.“</p> <p>Und dann fügt er hinzu:</p> <p>„Dem schönen Unsterblichkeitsglauben müssen wir entsagen. Hat doch jede Zeit mit demselben getäuschten Vertrauen die Unvergänglichkeit <hi rendition="#g">ihrer</hi> besten Oper proklamirt. Noch Adam Hiller in Leipzig behauptete, daß wenn jemals die Opern Hasse’s nicht mehr entzücken sollten, die allgemeine Barbarei hereinbrechen müßte. Noch Schubart, der </p> </div> </body> </text> </TEI> [32/0034]
lag die kritisch-literarische Zeitschrift aus den neunziger Jahren ……
Und nun halte man mit dem logischen Resultat dieser Halbschlaf-Vision, deren Basis durchaus nicht visionär, sondern enorm thatsächlich ist, die unverständigen Auslassungen gewisser Musik-Enthusiasten zusammen, die sich geberden, als gäbe es aus dem Gebiete des Musikalisch-Wertvollen keinerlei Wandlungen! Nur Hanslick begreift, daß es hier mit den „ewigen Schönheitsgesetzen“ übel bestellt ist; er sieht theoretisch ein, was die Erfahrung unausgesetzt lehrt, wiewohl sie stocktauben Ohren predigt. Er schreibt:
„Das berühmte Axiom, es könne das ‚wahrhaft Schöne‘ (– wer ist Richter über diese Eigenschaft? –) niemals, auch nach längstem Zeitlauf, seinen Zauber einbüßen, ist für die Musik wenig mehr, als eine schöne Redensart. Die Tonkunst macht es wie die Natur, welche mit jedem Herbst eine Welt voll Blumen zu Moder werden läßt, aus dem neue Blüten entstehen. Alle Tondichtung ist Menschenwerk, Produkt einer bestimmten Individualität, Zeit, Cultur, und darum stets durchzogen von Elementen schnellerer oder langsamerer Sterblichkeit. Unter den großen Musikformen ist wieder die Oper die zusammengesetzteste, conventionellste und daher vergänglichste.“
Und dann fügt er hinzu:
„Dem schönen Unsterblichkeitsglauben müssen wir entsagen. Hat doch jede Zeit mit demselben getäuschten Vertrauen die Unvergänglichkeit ihrer besten Oper proklamirt. Noch Adam Hiller in Leipzig behauptete, daß wenn jemals die Opern Hasse’s nicht mehr entzücken sollten, die allgemeine Barbarei hereinbrechen müßte. Noch Schubart, der
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