vinnen der Welt von ihr innerlich verach- tet werden. Die Achtung ist dem Schat- ten vergleichbar, der vor dem flieht, der nach ihm hascht, aber dem folgt, der nicht auf ihn achtet.
Thöricht ist die Eitelkeit, weil sie nicht bekommt, was sie sucht, doppelt thöricht, weil sie wirkliche Güter für eine Einbildung opfert, nämlich das Glück ihres Herzens und ihrer Familie für einen trügerischen Schein von Glanz in der Welt. Ein französischer Schrift- steller schildert folgende Szene: "Sehet da ein junges schönes Weib, auf sei- nen Fauteuil hingesunken, den Kopf in der Hand, wie eine Statue mit dem Ausdruck des höchsten Schmerzes. Warum weint sie? Hat der Tod ihr Kind weggerafft, oder ist von der Börse eine Unglücksbotschaft gekommen? Nichts von alledem. Ihr Gatte hat ihr einen Schmuck verweigert, und ver- kürzt um ihren Triumph beim näch- sten Balle, denkt sie eben an eine an-
vinnen der Welt von ihr innerlich verach- tet werden. Die Achtung ist dem Schat- ten vergleichbar, der vor dem flieht, der nach ihm hascht, aber dem folgt, der nicht auf ihn achtet.
Thöricht ist die Eitelkeit, weil sie nicht bekommt, was sie sucht, doppelt thöricht, weil sie wirkliche Güter für eine Einbildung opfert, nämlich das Glück ihres Herzens und ihrer Familie für einen trügerischen Schein von Glanz in der Welt. Ein französischer Schrift- steller schildert folgende Szene: „Sehet da ein junges schönes Weib, auf sei- nen Fauteuil hingesunken, den Kopf in der Hand, wie eine Statue mit dem Ausdruck des höchsten Schmerzes. Warum weint sie? Hat der Tod ihr Kind weggerafft, oder ist von der Börse eine Unglücksbotschaft gekommen? Nichts von alledem. Ihr Gatte hat ihr einen Schmuck verweigert, und ver- kürzt um ihren Triumph beim näch- sten Balle, denkt sie eben an eine an-
<TEI><text><body><div><div><p><pbfacs="#f0064"xml:id="E29_001_1914_pb0056_0001"n="56"/>
vinnen der Welt von ihr innerlich verach-<lb/>
tet werden. Die Achtung ist dem Schat-<lb/>
ten vergleichbar, der vor dem flieht,<lb/>
der nach ihm hascht, aber dem folgt,<lb/>
der nicht auf ihn achtet.</p><p>Thöricht ist die Eitelkeit, weil sie<lb/>
nicht bekommt, was sie sucht, doppelt<lb/>
thöricht, weil sie wirkliche Güter für<lb/>
eine Einbildung opfert, nämlich das<lb/>
Glück ihres Herzens und ihrer Familie<lb/>
für einen trügerischen Schein von Glanz<lb/>
in der Welt. Ein französischer Schrift-<lb/>
steller schildert folgende Szene: <q>„Sehet<lb/>
da ein junges schönes Weib, auf sei-<lb/>
nen Fauteuil hingesunken, den Kopf<lb/>
in der Hand, wie eine Statue mit<lb/>
dem Ausdruck des höchsten Schmerzes.<lb/>
Warum weint sie? Hat der Tod ihr<lb/>
Kind weggerafft, oder ist von der<lb/>
Börse eine Unglücksbotschaft gekommen?<lb/>
Nichts von alledem. Ihr Gatte hat<lb/>
ihr einen Schmuck verweigert, und ver-<lb/>
kürzt um ihren Triumph beim näch-<lb/>
sten Balle, denkt sie eben an eine an-<lb/></q></p></div></div></body></text></TEI>
[56/0064]
vinnen der Welt von ihr innerlich verach-
tet werden. Die Achtung ist dem Schat-
ten vergleichbar, der vor dem flieht,
der nach ihm hascht, aber dem folgt,
der nicht auf ihn achtet.
Thöricht ist die Eitelkeit, weil sie
nicht bekommt, was sie sucht, doppelt
thöricht, weil sie wirkliche Güter für
eine Einbildung opfert, nämlich das
Glück ihres Herzens und ihrer Familie
für einen trügerischen Schein von Glanz
in der Welt. Ein französischer Schrift-
steller schildert folgende Szene: „Sehet
da ein junges schönes Weib, auf sei-
nen Fauteuil hingesunken, den Kopf
in der Hand, wie eine Statue mit
dem Ausdruck des höchsten Schmerzes.
Warum weint sie? Hat der Tod ihr
Kind weggerafft, oder ist von der
Börse eine Unglücksbotschaft gekommen?
Nichts von alledem. Ihr Gatte hat
ihr einen Schmuck verweigert, und ver-
kürzt um ihren Triumph beim näch-
sten Balle, denkt sie eben an eine an-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Egger, Augustin: Die christliche Mutter. Erbauungs- und Gebetbuch. - Einsiedeln u. a., [1914], S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_mutter_1914/64>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.