wie Eltern und Hausgenossen gegen dieselben fehlen, so muß das seiner zarten Gewissen- haftigkeit eine tötliche Wunde versetzen. Die- ser Widerspruch zwischen Lehre und Leben verwirrt sein Gewissen, aber die Verwirrung wird sich bald dahin abklären, daß es un- bewußt zum Schlusse gelangt: Diese Dinge sind nicht so ernst zu nehmen, was die El- tern für erlaubt halten, ist auch mir erlaubt. So bildet sich im Herzen des Kindes schon eine gefälschte Sittenlehre, ein gefälschtes Gewissen, gefälscht durch das böse Beispiel der Eltern. Dieser traurige Fall tritt ein, wenn diese es mit der Wahrheitsliebe, der Redlichkeit, dem Beten, der Heilighaltung des Namens Gottes, der Beobachtung der Kirchengebote u. s. w. nicht genau nehmen. Diesem Umstande ist es unter anderem zu- zuschreiben, daß Verleumdung und Ehrab- schneidung wie ein unheilbares Erbübel unter dem gläubigen Volke sich fortpflanzen. Die Kinder hören in einem fort von solchen Dingen reden, sie lernen dieselben mit der Muttersprache, sie wachsen mit ihnen auf; es steht zwar im Katechismus, daß das Sünde sei, aber das böse Beispiel hat das Gewissen stumpf gemacht, die Jungen machen
wie Eltern und Hausgenossen gegen dieselben fehlen, so muß das seiner zarten Gewissen- haftigkeit eine tötliche Wunde versetzen. Die- ser Widerspruch zwischen Lehre und Leben verwirrt sein Gewissen, aber die Verwirrung wird sich bald dahin abklären, daß es un- bewußt zum Schlusse gelangt: Diese Dinge sind nicht so ernst zu nehmen, was die El- tern für erlaubt halten, ist auch mir erlaubt. So bildet sich im Herzen des Kindes schon eine gefälschte Sittenlehre, ein gefälschtes Gewissen, gefälscht durch das böse Beispiel der Eltern. Dieser traurige Fall tritt ein, wenn diese es mit der Wahrheitsliebe, der Redlichkeit, dem Beten, der Heilighaltung des Namens Gottes, der Beobachtung der Kirchengebote u. s. w. nicht genau nehmen. Diesem Umstande ist es unter anderem zu- zuschreiben, daß Verleumdung und Ehrab- schneidung wie ein unheilbares Erbübel unter dem gläubigen Volke sich fortpflanzen. Die Kinder hören in einem fort von solchen Dingen reden, sie lernen dieselben mit der Muttersprache, sie wachsen mit ihnen auf; es steht zwar im Katechismus, daß das Sünde sei, aber das böse Beispiel hat das Gewissen stumpf gemacht, die Jungen machen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="22"><p><pbfacs="#f0170"xml:id="E29V3_001_1895_pb0156_0001"n="156"/>
wie Eltern und Hausgenossen gegen dieselben<lb/>
fehlen, so muß das seiner zarten Gewissen-<lb/>
haftigkeit eine tötliche Wunde versetzen. Die-<lb/>
ser Widerspruch zwischen Lehre und Leben<lb/>
verwirrt sein Gewissen, aber die Verwirrung<lb/>
wird sich bald dahin abklären, daß es un-<lb/>
bewußt zum Schlusse gelangt: Diese Dinge<lb/>
sind nicht so ernst zu nehmen, was die El-<lb/>
tern für erlaubt halten, ist auch mir erlaubt.<lb/>
So bildet sich im Herzen des Kindes schon<lb/>
eine gefälschte Sittenlehre, ein gefälschtes<lb/>
Gewissen, gefälscht durch das böse Beispiel<lb/>
der Eltern. Dieser traurige Fall tritt ein,<lb/>
wenn diese es mit der Wahrheitsliebe, der<lb/>
Redlichkeit, dem Beten, der Heilighaltung des<lb/>
Namens Gottes, der Beobachtung der<lb/>
Kirchengebote u. s. w. nicht genau nehmen.<lb/>
Diesem Umstande ist es unter anderem zu-<lb/>
zuschreiben, daß Verleumdung und Ehrab-<lb/>
schneidung wie ein unheilbares Erbübel unter<lb/>
dem gläubigen Volke sich fortpflanzen. Die<lb/>
Kinder hören in einem fort von solchen<lb/>
Dingen reden, sie lernen dieselben mit der<lb/>
Muttersprache, sie wachsen mit ihnen auf;<lb/>
es steht zwar im Katechismus, daß das<lb/>
Sünde sei, aber das böse Beispiel hat das<lb/>
Gewissen stumpf gemacht, die Jungen machen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[156/0170]
wie Eltern und Hausgenossen gegen dieselben
fehlen, so muß das seiner zarten Gewissen-
haftigkeit eine tötliche Wunde versetzen. Die-
ser Widerspruch zwischen Lehre und Leben
verwirrt sein Gewissen, aber die Verwirrung
wird sich bald dahin abklären, daß es un-
bewußt zum Schlusse gelangt: Diese Dinge
sind nicht so ernst zu nehmen, was die El-
tern für erlaubt halten, ist auch mir erlaubt.
So bildet sich im Herzen des Kindes schon
eine gefälschte Sittenlehre, ein gefälschtes
Gewissen, gefälscht durch das böse Beispiel
der Eltern. Dieser traurige Fall tritt ein,
wenn diese es mit der Wahrheitsliebe, der
Redlichkeit, dem Beten, der Heilighaltung des
Namens Gottes, der Beobachtung der
Kirchengebote u. s. w. nicht genau nehmen.
Diesem Umstande ist es unter anderem zu-
zuschreiben, daß Verleumdung und Ehrab-
schneidung wie ein unheilbares Erbübel unter
dem gläubigen Volke sich fortpflanzen. Die
Kinder hören in einem fort von solchen
Dingen reden, sie lernen dieselben mit der
Muttersprache, sie wachsen mit ihnen auf;
es steht zwar im Katechismus, daß das
Sünde sei, aber das böse Beispiel hat das
Gewissen stumpf gemacht, die Jungen machen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/170>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.