sie unterdrückt die schlimmen Regungen, pflegt die guten, und hält so gute Ordnung mit den äußern und den Gemütsbewegungen des Kindes, damit dieses, wenn es den Ge- brauch seines freien Willens erlangt, seinen sittlichen Zustand wie ein wohlgeordnetes Reich zur Selbstregierung übernehmen kann.
Die moderne Welt glaubt nicht an den Sündenfall, darum auch nicht an eine anererbte Verdorbenheit in der Natur des Kindes. Da- rum hat die Erziehung auch keine verkehrten Anlagen in demselben zu bekämpfen. Dieser Irrtum leistet jener falschen Erziehung we- sentlichen Vorschub, welche von einer ernsten Zucht nichts mehr weiß, welche die Kinder verzärtelt und verweichlichet, welche gerade die Sinnlichkeit und den Eigensinn großzieht, welche gezügelt werden sollten. Wer so er- zogen wird, gelangt gar nie in den vollen Besitz seiner sittlichen Freiheit, indem er von seinen nie bekämpften, und darum über- mächtig gewordenen Neigungen beherrscht wird, statt daß er, wie es sein sollte, über sie herrscht.
Der dritte Gegensatz zwischen Christen- tum und moderner Welt in der Erziehung bezieht sich auf das Verhältnis zwischen
sie unterdrückt die schlimmen Regungen, pflegt die guten, und hält so gute Ordnung mit den äußern und den Gemütsbewegungen des Kindes, damit dieses, wenn es den Ge- brauch seines freien Willens erlangt, seinen sittlichen Zustand wie ein wohlgeordnetes Reich zur Selbstregierung übernehmen kann.
Die moderne Welt glaubt nicht an den Sündenfall, darum auch nicht an eine anererbte Verdorbenheit in der Natur des Kindes. Da- rum hat die Erziehung auch keine verkehrten Anlagen in demselben zu bekämpfen. Dieser Irrtum leistet jener falschen Erziehung we- sentlichen Vorschub, welche von einer ernsten Zucht nichts mehr weiß, welche die Kinder verzärtelt und verweichlichet, welche gerade die Sinnlichkeit und den Eigensinn großzieht, welche gezügelt werden sollten. Wer so er- zogen wird, gelangt gar nie in den vollen Besitz seiner sittlichen Freiheit, indem er von seinen nie bekämpften, und darum über- mächtig gewordenen Neigungen beherrscht wird, statt daß er, wie es sein sollte, über sie herrscht.
Der dritte Gegensatz zwischen Christen- tum und moderner Welt in der Erziehung bezieht sich auf das Verhältnis zwischen
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sie unterdrückt die schlimmen Regungen, pflegt
die guten, und hält so gute Ordnung mit
den äußern und den Gemütsbewegungen
des Kindes, damit dieses, wenn es den Ge-
brauch seines freien Willens erlangt, seinen
sittlichen Zustand wie ein wohlgeordnetes
Reich zur Selbstregierung übernehmen kann.
Die moderne Welt glaubt nicht an den
Sündenfall, darum auch nicht an eine anererbte
Verdorbenheit in der Natur des Kindes. Da-
rum hat die Erziehung auch keine verkehrten
Anlagen in demselben zu bekämpfen. Dieser
Irrtum leistet jener falschen Erziehung we-
sentlichen Vorschub, welche von einer ernsten
Zucht nichts mehr weiß, welche die Kinder
verzärtelt und verweichlichet, welche gerade
die Sinnlichkeit und den Eigensinn großzieht,
welche gezügelt werden sollten. Wer so er-
zogen wird, gelangt gar nie in den vollen
Besitz seiner sittlichen Freiheit, indem er von
seinen nie bekämpften, und darum über-
mächtig gewordenen Neigungen beherrscht
wird, statt daß er, wie es sein sollte, über
sie herrscht.
Der dritte Gegensatz zwischen Christen-
tum und moderner Welt in der Erziehung
bezieht sich auf das Verhältnis zwischen
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Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/75>, abgerufen am 21.11.2024.
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