Hörner, und das gefährliche, freye, soldatische Le¬ ben. -- Alle nahmen sogleich Parthey gegen diesen kezerischen Satz und überschrieen ihn heftig mit einem verworrenen Schwall von Widersprüchen. Die ei¬ gentlichen Jäger von Handwerk, fuhr Leontin lu¬ stig fort, sind die eigentlichen Pfuscher in der edlen Jägerey, Narren des Waldes, Pedanten, die den Waldgeist nicht verstehen; man sollte sie gar nicht zulassen, uns anderen gehört das schöne Waldre¬ vier! Diese offenbare Kriegserklärung brachte nun vollends alles in Harnisch. Von allen Seiten fiel man laut über ihn her. Leontin, den der viele Wein und die allgemeine Fehde erst recht in seine Lustigkeit hineingesetzt hatte, wußte sich nicht mehr anders zu retten: er ergriff die Guitarre, die Ju¬ lie mitgebracht, sprang auf seinen Stuhl hinauf und übersang die Kämpfenden mit folgendem Liede:
Was wollt ihr in dem Walde haben,
Mag sich die arme Menschenbrust Am Waldesgruße nicht erlaben, Am Morgenroth und grüner Lust?
Was tragt ihr Hörner an der Seite,
Wenn ihr des Hornes Sinn vergaßt, Wenn's euch nicht selbst lockt in die Weite, Wie ihr vom Berg' frühmorgens blast?
Ihr werd't doch nicht die Lust erjagen,
Ihr mög't durch alle Wälder geh'n; Nur müde Füß' und leere Magen -- Mir möcht' die Jägerey vergeh'n!
Hörner, und das gefährliche, freye, ſoldatiſche Le¬ ben. — Alle nahmen ſogleich Parthey gegen dieſen kezeriſchen Satz und überſchrieen ihn heftig mit einem verworrenen Schwall von Widerſprüchen. Die ei¬ gentlichen Jäger von Handwerk, fuhr Leontin lu¬ ſtig fort, ſind die eigentlichen Pfuſcher in der edlen Jägerey, Narren des Waldes, Pedanten, die den Waldgeiſt nicht verſtehen; man ſollte ſie gar nicht zulaſſen, uns anderen gehört das ſchöne Waldre¬ vier! Dieſe offenbare Kriegserklärung brachte nun vollends alles in Harniſch. Von allen Seiten fiel man laut über ihn her. Leontin, den der viele Wein und die allgemeine Fehde erſt recht in ſeine Luſtigkeit hineingeſetzt hatte, wußte ſich nicht mehr anders zu retten: er ergriff die Guitarre, die Ju¬ lie mitgebracht, ſprang auf ſeinen Stuhl hinauf und überſang die Kämpfenden mit folgendem Liede:
Was wollt ihr in dem Walde haben,
Mag ſich die arme Menſchenbruſt Am Waldesgruße nicht erlaben, Am Morgenroth und grüner Luſt?
Was tragt ihr Hörner an der Seite,
Wenn ihr des Hornes Sinn vergaßt, Wenn's euch nicht ſelbſt lockt in die Weite, Wie ihr vom Berg' frühmorgens blast?
Ihr werd't doch nicht die Luſt erjagen,
Ihr mög't durch alle Wälder geh'n; Nur müde Füß' und leere Magen — Mir möcht' die Jägerey vergeh'n!
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Hörner, und das gefährliche, freye, ſoldatiſche Le¬
ben. — Alle nahmen ſogleich Parthey gegen dieſen
kezeriſchen Satz und überſchrieen ihn heftig mit einem
verworrenen Schwall von Widerſprüchen. Die ei¬
gentlichen Jäger von Handwerk, fuhr Leontin lu¬
ſtig fort, ſind die eigentlichen Pfuſcher in der edlen
Jägerey, Narren des Waldes, Pedanten, die den
Waldgeiſt nicht verſtehen; man ſollte ſie gar nicht
zulaſſen, uns anderen gehört das ſchöne Waldre¬
vier! Dieſe offenbare Kriegserklärung brachte nun
vollends alles in Harniſch. Von allen Seiten fiel
man laut über ihn her. Leontin, den der viele
Wein und die allgemeine Fehde erſt recht in ſeine
Luſtigkeit hineingeſetzt hatte, wußte ſich nicht mehr
anders zu retten: er ergriff die Guitarre, die Ju¬
lie mitgebracht, ſprang auf ſeinen Stuhl hinauf
und überſang die Kämpfenden mit folgendem Liede:
Was wollt ihr in dem Walde haben,
Mag ſich die arme Menſchenbruſt
Am Waldesgruße nicht erlaben,
Am Morgenroth und grüner Luſt?
Was tragt ihr Hörner an der Seite,
Wenn ihr des Hornes Sinn vergaßt,
Wenn's euch nicht ſelbſt lockt in die Weite,
Wie ihr vom Berg' frühmorgens blast?
Ihr werd't doch nicht die Luſt erjagen,
Ihr mög't durch alle Wälder geh'n;
Nur müde Füß' und leere Magen —
Mir möcht' die Jägerey vergeh'n!
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/132>, abgerufen am 27.11.2024.
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