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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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ganz zuversichtlich erwartete, daß er den Spaß für
unanständig hielt. In meinem Leben, sagte Frie¬
drich, habe ich keine Pantomime gesehen, wo mit
so einfachen Mitteln so Vollkommenes erreicht wor¬
den wäre. Es wäre zu wünschen, man könnte die
weltberühmten Mimiker, Grotesktänzer und wie sie
sich immer nennen, auf einen Augenblick zu ihrer
Belehrung unter diesen Trupp versetzen. Wie arm¬
selig, nüchtern und albern würden sie sich unter die¬
sen tüchtigen Gesellen ausnehmen, die nicht bloß
diese oder jene einzelne Richtung des Komischen
ängstlich herausheben, sondern Sprache, Witz und
den ganzen Menschen in Anspruch nehmen. Jene
ermatten uns recht mit allgemeinen Späßchen, ohne
alle Individualität, mit hergebrachten, längstab¬
genuzten Mienen und Sprüngen, und vor lauter
künstlichen Anstalten zum Lachen kommen wir nie¬
mals zum Lachen selber. Hier erfindet jeder selbst,
wie es ihm die Lust des Augenblickes eingiebt, und
die Thorheit lacht uns unmittelbar und keck in's
Gesicht, daß uns recht das Herz vor Freyheit auf¬
geht. -- Das ist wahr, sagte die Tante, über die¬
ses Urtheil erstaunt, unser Viktor ist ein pudelnärri¬
scher, lustiger Mensch. -- Das glaube ich kaum,
erwiederte Friedrich, ein Mensch muß sehr kalt oder
sehr unglücklich seyn, um so zu phantasiren. Viktor
kommt mir vor, wie jener Prinz in Sicilien, der
in seinem Garten und Schloße alles schief baute,
so daß sein Herz das einzige Gerade in der phanta¬
stischen Verkehrung war.

ganz zuverſichtlich erwartete, daß er den Spaß für
unanſtändig hielt. In meinem Leben, ſagte Frie¬
drich, habe ich keine Pantomime geſehen, wo mit
ſo einfachen Mitteln ſo Vollkommenes erreicht wor¬
den wäre. Es wäre zu wünſchen, man könnte die
weltberühmten Mimiker, Grotesktänzer und wie ſie
ſich immer nennen, auf einen Augenblick zu ihrer
Belehrung unter dieſen Trupp verſetzen. Wie arm¬
ſelig, nüchtern und albern würden ſie ſich unter die¬
ſen tüchtigen Geſellen ausnehmen, die nicht bloß
dieſe oder jene einzelne Richtung des Komiſchen
ängſtlich herausheben, ſondern Sprache, Witz und
den ganzen Menſchen in Anſpruch nehmen. Jene
ermatten uns recht mit allgemeinen Späßchen, ohne
alle Individualität, mit hergebrachten, längſtab¬
genuzten Mienen und Sprüngen, und vor lauter
künſtlichen Anſtalten zum Lachen kommen wir nie¬
mals zum Lachen ſelber. Hier erfindet jeder ſelbſt,
wie es ihm die Luſt des Augenblickes eingiebt, und
die Thorheit lacht uns unmittelbar und keck in's
Geſicht, daß uns recht das Herz vor Freyheit auf¬
geht. — Das iſt wahr, ſagte die Tante, über die¬
ſes Urtheil erſtaunt, unſer Viktor iſt ein pudelnärri¬
ſcher, luſtiger Menſch. — Das glaube ich kaum,
erwiederte Friedrich, ein Menſch muß ſehr kalt oder
ſehr unglücklich ſeyn, um ſo zu phantaſiren. Viktor
kommt mir vor, wie jener Prinz in Sicilien, der
in ſeinem Garten und Schloße alles ſchief baute,
ſo daß ſein Herz das einzige Gerade in der phanta¬
ſtiſchen Verkehrung war.

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[133/0139] ganz zuverſichtlich erwartete, daß er den Spaß für unanſtändig hielt. In meinem Leben, ſagte Frie¬ drich, habe ich keine Pantomime geſehen, wo mit ſo einfachen Mitteln ſo Vollkommenes erreicht wor¬ den wäre. Es wäre zu wünſchen, man könnte die weltberühmten Mimiker, Grotesktänzer und wie ſie ſich immer nennen, auf einen Augenblick zu ihrer Belehrung unter dieſen Trupp verſetzen. Wie arm¬ ſelig, nüchtern und albern würden ſie ſich unter die¬ ſen tüchtigen Geſellen ausnehmen, die nicht bloß dieſe oder jene einzelne Richtung des Komiſchen ängſtlich herausheben, ſondern Sprache, Witz und den ganzen Menſchen in Anſpruch nehmen. Jene ermatten uns recht mit allgemeinen Späßchen, ohne alle Individualität, mit hergebrachten, längſtab¬ genuzten Mienen und Sprüngen, und vor lauter künſtlichen Anſtalten zum Lachen kommen wir nie¬ mals zum Lachen ſelber. Hier erfindet jeder ſelbſt, wie es ihm die Luſt des Augenblickes eingiebt, und die Thorheit lacht uns unmittelbar und keck in's Geſicht, daß uns recht das Herz vor Freyheit auf¬ geht. — Das iſt wahr, ſagte die Tante, über die¬ ſes Urtheil erſtaunt, unſer Viktor iſt ein pudelnärri¬ ſcher, luſtiger Menſch. — Das glaube ich kaum, erwiederte Friedrich, ein Menſch muß ſehr kalt oder ſehr unglücklich ſeyn, um ſo zu phantaſiren. Viktor kommt mir vor, wie jener Prinz in Sicilien, der in ſeinem Garten und Schloße alles ſchief baute, ſo daß ſein Herz das einzige Gerade in der phanta¬ ſtiſchen Verkehrung war.

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/139>, abgerufen am 27.11.2024.