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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Weiterreise und versprachen einander nächstens in
der Residenz wieder zu treffen. Herr Faber bat
Friedrich'n, ihn der Gräfin Romana bestens zu
empfehlen. Die Gräfin, sagte er, hat schöne Ta¬
lente und sich durch mehrere Arbeiten, die ich ken¬
ne, als Dichterin erwiesen. Nur macht sie sich
freylich alles etwas gar zu leicht. Leontin, den im¬
mer sogleich ein seltsamer Humor befiel, wenn er die
Gräfin nennen hörte, sang lustig:

Lustig auf den Kopf, mein Liebchen,
Stell' dich, in die Luft die Bein'!
Heißa! ich will seyn dein Bübchen,
Heute Nacht soll Hochzeit seyn!
Wenn du Shakespear kannst vertragen,
O du liebe Unschuld du!
Wirst du mich wohl auch ertragen
Und noch Jedermann dazu. --

Er sprach noch allerhand wild und unzüchtig
von der Gräfin und trug Friedrich'n noch einen zü¬
gellosen Gruß an Sie auf, als sie endlich von ent¬
gegengesetzten Seiten auseinanderritten. Friedrich
wußte nicht, was er aus diesen wilden Reden ma¬
chen sollte. Sie ärgerten ihn, denn er hielt die
Gräfin hoch, und er konnte sich dabey der Besorg¬
niß nicht enthalten, daß Leontins lebhafter Geist in
solcher Art von Renommisterey am Ende sich selber
aufreiben werde.

In solchen Gedanken war er einige Zeit fort¬
geritten, als er bey einer Beugung um eine Feldecke
plötzlich das Schloß der Gräfin vor sich sah. Es

Weiterreiſe und verſprachen einander nächſtens in
der Reſidenz wieder zu treffen. Herr Faber bat
Friedrich'n, ihn der Gräfin Romana beſtens zu
empfehlen. Die Gräfin, ſagte er, hat ſchöne Ta¬
lente und ſich durch mehrere Arbeiten, die ich ken¬
ne, als Dichterin erwieſen. Nur macht ſie ſich
freylich alles etwas gar zu leicht. Leontin, den im¬
mer ſogleich ein ſeltſamer Humor befiel, wenn er die
Gräfin nennen hörte, ſang luſtig:

Luſtig auf den Kopf, mein Liebchen,
Stell' dich, in die Luft die Bein'!
Heißa! ich will ſeyn dein Bübchen,
Heute Nacht ſoll Hochzeit ſeyn!
Wenn du Shakeſpear kannſt vertragen,
O du liebe Unſchuld du!
Wirſt du mich wohl auch ertragen
Und noch Jedermann dazu. —

Er ſprach noch allerhand wild und unzüchtig
von der Gräfin und trug Friedrich'n noch einen zü¬
gelloſen Gruß an Sie auf, als ſie endlich von ent¬
gegengeſetzten Seiten auseinanderritten. Friedrich
wußte nicht, was er aus dieſen wilden Reden ma¬
chen ſollte. Sie ärgerten ihn, denn er hielt die
Gräfin hoch, und er konnte ſich dabey der Beſorg¬
niß nicht enthalten, daß Leontins lebhafter Geiſt in
ſolcher Art von Renommiſterey am Ende ſich ſelber
aufreiben werde.

In ſolchen Gedanken war er einige Zeit fort¬
geritten, als er bey einer Beugung um eine Feldecke
plötzlich das Schloß der Gräfin vor ſich ſah. Es

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[239/0245] Weiterreiſe und verſprachen einander nächſtens in der Reſidenz wieder zu treffen. Herr Faber bat Friedrich'n, ihn der Gräfin Romana beſtens zu empfehlen. Die Gräfin, ſagte er, hat ſchöne Ta¬ lente und ſich durch mehrere Arbeiten, die ich ken¬ ne, als Dichterin erwieſen. Nur macht ſie ſich freylich alles etwas gar zu leicht. Leontin, den im¬ mer ſogleich ein ſeltſamer Humor befiel, wenn er die Gräfin nennen hörte, ſang luſtig: Luſtig auf den Kopf, mein Liebchen, Stell' dich, in die Luft die Bein'! Heißa! ich will ſeyn dein Bübchen, Heute Nacht ſoll Hochzeit ſeyn! Wenn du Shakeſpear kannſt vertragen, O du liebe Unſchuld du! Wirſt du mich wohl auch ertragen Und noch Jedermann dazu. — Er ſprach noch allerhand wild und unzüchtig von der Gräfin und trug Friedrich'n noch einen zü¬ gelloſen Gruß an Sie auf, als ſie endlich von ent¬ gegengeſetzten Seiten auseinanderritten. Friedrich wußte nicht, was er aus dieſen wilden Reden ma¬ chen ſollte. Sie ärgerten ihn, denn er hielt die Gräfin hoch, und er konnte ſich dabey der Beſorg¬ niß nicht enthalten, daß Leontins lebhafter Geiſt in ſolcher Art von Renommiſterey am Ende ſich ſelber aufreiben werde. In ſolchen Gedanken war er einige Zeit fort¬ geritten, als er bey einer Beugung um eine Feldecke plötzlich das Schloß der Gräfin vor ſich ſah. Es

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/245>, abgerufen am 23.11.2024.