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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Mund. Sie schien einen Augenblick verlegen, als
sie so unvermuthet Friedrich'n erblickte, und bemerk¬
te, daß er diesen sonderbaren Empfang gesehen
hatte. Sie schüttelte aber die flüchtige Scham bald
wieder von sich und bewillkommte Friedrich'n mit ei¬
ner Heftigkeit, die ihm auffiel. Ich bedauere nur,
sagte sie, daß ich Sie nicht so bewirthen kann, wie
ich wünschte, alle meine Leute schwärmen schon den
ganzen Tag bey der Weinlese, ich selbst bin seit
frühem Morgen in der Gegend herumgeritten.

Sie nahm ihn bey der Hand und führte ihn in
das Innere des Schlosses. Friedrich verwunderte
sich, denn fast in allen Zimmern standen Thüren
und Fenster offen. Die hochgewölbten Zimmer selbst
waren ein seltsames Gemisch von alter und neuer
Zeit, einige standen leer und wüste, wie ausge¬
plündert, in anderen sah er alte Gemählde an der
Wand herumhängen, die wie aus schändlichem
Muthwillen mit Säbelhieben zerhauen schienen.
Sie kamen in der Gräfin Schlafgemach. Das gro¬
ße Himmelbett war noch unzugerichtet, wie sie es
frühmorgens verlassen, Strümpfe, Halstücher und
allerley Geräth lag bunt auf allen Stühlen umher.
In dem einen Winkel hieng ein Portrait, und er
glaubte, soviel es die Dämmerung zuließ, zu sei¬
nem Erstaunen die Züge des Erbprinzen zu erken¬
nen, dessen Schönheit in der Residenz einen so tie¬
fen Eindruck auf ihn gemacht hatte.

Die Gräfin nahm den schönen Knaben, der
ihnen immerfort gefolgt war, bey Seite und trug

Mund. Sie ſchien einen Augenblick verlegen, als
ſie ſo unvermuthet Friedrich'n erblickte, und bemerk¬
te, daß er dieſen ſonderbaren Empfang geſehen
hatte. Sie ſchüttelte aber die flüchtige Scham bald
wieder von ſich und bewillkommte Friedrich'n mit ei¬
ner Heftigkeit, die ihm auffiel. Ich bedauere nur,
ſagte ſie, daß ich Sie nicht ſo bewirthen kann, wie
ich wünſchte, alle meine Leute ſchwärmen ſchon den
ganzen Tag bey der Weinleſe, ich ſelbſt bin ſeit
frühem Morgen in der Gegend herumgeritten.

Sie nahm ihn bey der Hand und führte ihn in
das Innere des Schloſſes. Friedrich verwunderte
ſich, denn faſt in allen Zimmern ſtanden Thüren
und Fenſter offen. Die hochgewölbten Zimmer ſelbſt
waren ein ſeltſames Gemiſch von alter und neuer
Zeit, einige ſtanden leer und wüſte, wie ausge¬
plündert, in anderen ſah er alte Gemählde an der
Wand herumhängen, die wie aus ſchändlichem
Muthwillen mit Säbelhieben zerhauen ſchienen.
Sie kamen in der Gräfin Schlafgemach. Das gro¬
ße Himmelbett war noch unzugerichtet, wie ſie es
frühmorgens verlaſſen, Strümpfe, Halstücher und
allerley Geräth lag bunt auf allen Stühlen umher.
In dem einen Winkel hieng ein Portrait, und er
glaubte, ſoviel es die Dämmerung zuließ, zu ſei¬
nem Erſtaunen die Züge des Erbprinzen zu erken¬
nen, deſſen Schönheit in der Reſidenz einen ſo tie¬
fen Eindruck auf ihn gemacht hatte.

Die Gräfin nahm den ſchönen Knaben, der
ihnen immerfort gefolgt war, bey Seite und trug

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[242/0248] Mund. Sie ſchien einen Augenblick verlegen, als ſie ſo unvermuthet Friedrich'n erblickte, und bemerk¬ te, daß er dieſen ſonderbaren Empfang geſehen hatte. Sie ſchüttelte aber die flüchtige Scham bald wieder von ſich und bewillkommte Friedrich'n mit ei¬ ner Heftigkeit, die ihm auffiel. Ich bedauere nur, ſagte ſie, daß ich Sie nicht ſo bewirthen kann, wie ich wünſchte, alle meine Leute ſchwärmen ſchon den ganzen Tag bey der Weinleſe, ich ſelbſt bin ſeit frühem Morgen in der Gegend herumgeritten. Sie nahm ihn bey der Hand und führte ihn in das Innere des Schloſſes. Friedrich verwunderte ſich, denn faſt in allen Zimmern ſtanden Thüren und Fenſter offen. Die hochgewölbten Zimmer ſelbſt waren ein ſeltſames Gemiſch von alter und neuer Zeit, einige ſtanden leer und wüſte, wie ausge¬ plündert, in anderen ſah er alte Gemählde an der Wand herumhängen, die wie aus ſchändlichem Muthwillen mit Säbelhieben zerhauen ſchienen. Sie kamen in der Gräfin Schlafgemach. Das gro¬ ße Himmelbett war noch unzugerichtet, wie ſie es frühmorgens verlaſſen, Strümpfe, Halstücher und allerley Geräth lag bunt auf allen Stühlen umher. In dem einen Winkel hieng ein Portrait, und er glaubte, ſoviel es die Dämmerung zuließ, zu ſei¬ nem Erſtaunen die Züge des Erbprinzen zu erken¬ nen, deſſen Schönheit in der Reſidenz einen ſo tie¬ fen Eindruck auf ihn gemacht hatte. Die Gräfin nahm den ſchönen Knaben, der ihnen immerfort gefolgt war, bey Seite und trug

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/248>, abgerufen am 23.11.2024.