Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

ren dazwischen fehlten ganz und gar. Eine Lampe,
die der Gräfin Zimmer matt erhellte, warf durch
die offenen Thüren ihren Schein grade auf einen
großen, altmodischen Spiegel, der vor Friedrichs
Bett an der Wand hieng, so daß er in demselben
fast ihr ganzes Schlafzimmer übersehen konnte. Er
sah, wie der schöne Knabe, der sich unterdeß wie¬
der eingeschlichen haben mußte, quer über einigen
Stühlen vor ihrem Bette eingeschlafen lag. Die
Gräfin entkleidete sich nach und nach und stieg so
über den Knaben weg ins Bett. Alles im Schlosse
wurde nun todtenstill und er wendete das Gesicht
auf die andere Seite dem offenen Fenster zu. Die
Bäume rauschten vor demselben, aus dem Thale
kam von Zeit zu Zeit ein fröhliches Jauchzen, bald
näher, bald wieder in weiter Ferne, dazwischen
hörte er ausländische Vögel draussen im Garten in
wunderlichen Tönen immerfort wie im Traume spre¬
chen, das seltsame bleiche Gesicht der Gräfin, wie
sie ihm zuletzt vorgekommen, stellte sich ihm dabey
unaufhörlich vor die Augen, und so schlummerte er
erst spät unter verworrenen Phantasieen ein.

Mitten in der Nacht wachte er plötzlich auf,
es war ihm, als hätte er Gesang gehört. Der
Mond schien hell draussen über der Gegend und
durch das Fenster herein. Mit Erstaunen hörte er
neben sich athmen. Er sah umher und erblickte Ro¬
mana, unangekleidet wie sie war, an dem Fuße
seines Bettes eingeschlafen. Sie ruhte auf dem
Boden, mit dem einen Arme und dem halben Leibe

ren dazwiſchen fehlten ganz und gar. Eine Lampe,
die der Gräfin Zimmer matt erhellte, warf durch
die offenen Thüren ihren Schein grade auf einen
großen, altmodiſchen Spiegel, der vor Friedrichs
Bett an der Wand hieng, ſo daß er in demſelben
faſt ihr ganzes Schlafzimmer überſehen konnte. Er
ſah, wie der ſchöne Knabe, der ſich unterdeß wie¬
der eingeſchlichen haben mußte, quer über einigen
Stühlen vor ihrem Bette eingeſchlafen lag. Die
Gräfin entkleidete ſich nach und nach und ſtieg ſo
über den Knaben weg ins Bett. Alles im Schloſſe
wurde nun todtenſtill und er wendete das Geſicht
auf die andere Seite dem offenen Fenſter zu. Die
Bäume rauſchten vor demſelben, aus dem Thale
kam von Zeit zu Zeit ein fröhliches Jauchzen, bald
näher, bald wieder in weiter Ferne, dazwiſchen
hörte er ausländiſche Vögel drauſſen im Garten in
wunderlichen Tönen immerfort wie im Traume ſpre¬
chen, das ſeltſame bleiche Geſicht der Gräfin, wie
ſie ihm zuletzt vorgekommen, ſtellte ſich ihm dabey
unaufhörlich vor die Augen, und ſo ſchlummerte er
erſt ſpät unter verworrenen Phantaſieen ein.

Mitten in der Nacht wachte er plötzlich auf,
es war ihm, als hätte er Geſang gehört. Der
Mond ſchien hell drauſſen über der Gegend und
durch das Fenſter herein. Mit Erſtaunen hörte er
neben ſich athmen. Er ſah umher und erblickte Ro¬
mana, unangekleidet wie ſie war, an dem Fuße
ſeines Bettes eingeſchlafen. Sie ruhte auf dem
Boden, mit dem einen Arme und dem halben Leibe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0252" n="246"/>
ren dazwi&#x017F;chen fehlten ganz und gar. Eine Lampe,<lb/>
die der Gräfin Zimmer matt erhellte, warf durch<lb/>
die offenen Thüren ihren Schein grade auf einen<lb/>
großen, altmodi&#x017F;chen Spiegel, der vor Friedrichs<lb/>
Bett an der Wand hieng, &#x017F;o daß er in dem&#x017F;elben<lb/>
fa&#x017F;t ihr ganzes Schlafzimmer über&#x017F;ehen konnte. Er<lb/>
&#x017F;ah, wie der &#x017F;chöne Knabe, der &#x017F;ich unterdeß wie¬<lb/>
der einge&#x017F;chlichen haben mußte, quer über einigen<lb/>
Stühlen vor ihrem Bette einge&#x017F;chlafen lag. Die<lb/>
Gräfin entkleidete &#x017F;ich nach und nach und &#x017F;tieg &#x017F;o<lb/>
über den Knaben weg ins Bett. Alles im Schlo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
wurde nun todten&#x017F;till und er wendete das Ge&#x017F;icht<lb/>
auf die andere Seite dem offenen Fen&#x017F;ter zu. Die<lb/>
Bäume rau&#x017F;chten vor dem&#x017F;elben, aus dem Thale<lb/>
kam von Zeit zu Zeit ein fröhliches Jauchzen, bald<lb/>
näher, bald wieder in weiter Ferne, dazwi&#x017F;chen<lb/>
hörte er ausländi&#x017F;che Vögel drau&#x017F;&#x017F;en im Garten in<lb/>
wunderlichen Tönen immerfort wie im Traume &#x017F;pre¬<lb/>
chen, das &#x017F;elt&#x017F;ame bleiche Ge&#x017F;icht der Gräfin, wie<lb/>
&#x017F;ie ihm zuletzt vorgekommen, &#x017F;tellte &#x017F;ich ihm dabey<lb/>
unaufhörlich vor die Augen, und &#x017F;o &#x017F;chlummerte er<lb/>
er&#x017F;t &#x017F;pät unter verworrenen Phanta&#x017F;ieen ein.</p><lb/>
          <p>Mitten in der Nacht wachte er plötzlich auf,<lb/>
es war ihm, als hätte er Ge&#x017F;ang gehört. Der<lb/>
Mond &#x017F;chien hell drau&#x017F;&#x017F;en über der Gegend und<lb/>
durch das Fen&#x017F;ter herein. Mit Er&#x017F;taunen hörte er<lb/>
neben &#x017F;ich athmen. Er &#x017F;ah umher und erblickte Ro¬<lb/>
mana, unangekleidet wie &#x017F;ie war, an dem Fuße<lb/>
&#x017F;eines Bettes einge&#x017F;chlafen. Sie ruhte auf dem<lb/>
Boden, mit dem einen Arme und dem halben Leibe<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0252] ren dazwiſchen fehlten ganz und gar. Eine Lampe, die der Gräfin Zimmer matt erhellte, warf durch die offenen Thüren ihren Schein grade auf einen großen, altmodiſchen Spiegel, der vor Friedrichs Bett an der Wand hieng, ſo daß er in demſelben faſt ihr ganzes Schlafzimmer überſehen konnte. Er ſah, wie der ſchöne Knabe, der ſich unterdeß wie¬ der eingeſchlichen haben mußte, quer über einigen Stühlen vor ihrem Bette eingeſchlafen lag. Die Gräfin entkleidete ſich nach und nach und ſtieg ſo über den Knaben weg ins Bett. Alles im Schloſſe wurde nun todtenſtill und er wendete das Geſicht auf die andere Seite dem offenen Fenſter zu. Die Bäume rauſchten vor demſelben, aus dem Thale kam von Zeit zu Zeit ein fröhliches Jauchzen, bald näher, bald wieder in weiter Ferne, dazwiſchen hörte er ausländiſche Vögel drauſſen im Garten in wunderlichen Tönen immerfort wie im Traume ſpre¬ chen, das ſeltſame bleiche Geſicht der Gräfin, wie ſie ihm zuletzt vorgekommen, ſtellte ſich ihm dabey unaufhörlich vor die Augen, und ſo ſchlummerte er erſt ſpät unter verworrenen Phantaſieen ein. Mitten in der Nacht wachte er plötzlich auf, es war ihm, als hätte er Geſang gehört. Der Mond ſchien hell drauſſen über der Gegend und durch das Fenſter herein. Mit Erſtaunen hörte er neben ſich athmen. Er ſah umher und erblickte Ro¬ mana, unangekleidet wie ſie war, an dem Fuße ſeines Bettes eingeſchlafen. Sie ruhte auf dem Boden, mit dem einen Arme und dem halben Leibe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/252
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/252>, abgerufen am 23.11.2024.