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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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te. Der Minister, sagte er zu ihm als sie allein
waren, hat Sie mir sehr warm, ja ich kann wohl
sagen, mit Leidenschaft empfohlen. Es ist etwas
ausserordentliches, denn er empfiehlt sonst keinen
Menschen auf diese Art. Friedrich äusserte darüber
seine große Verwunderung, da er von dem Minister
grade das Gegentheil erwartete. Der Minister,
fuhr der Prinz fort, läßt sein Urtheil nicht fangen
und ich vertraue Ihnen daher. Unsere Zeit ist so
gewaltig, daß die Tugend nichts gilt ohne Stärke.
Die wenigen Muthigen aus aller Welt sollten sich
daher treu zusammenhalten, als ein rechter Damm
gegen das Böse. Es wäre nicht schön, lieber Graf,
wenn Sie sich von der gemeinen Noth absonderten.
Gott behüte mich vor solcher Schande! erwiederte
Friedrich halb betroffen, mein Leben gehört Gott
und meinem rechtmäßigen Herrn. Es ist groß, sich
selber, von aller Welt losgesagt, fromm und fleis¬
sig auszubilden, sagte darauf der Prinz begeistert,
aber es ist größer, alle Freuden, alle eignen Wün¬
sche und Bestrebungen wegzuwerfen für das Recht,
alles -- hier strich so eben die Gräfin Romana an
ihnen vorüber. Der Prinz ergriff ihre Hand und
sagte: So lange von uns wegzubleiben! -- Sie
zog langsam ihre Hand aus der seinigen und sah
nur Friedrich'n groß an, als sähe sie ihn wieder
zum erstenmale. Der Prinz lachte unerklärlich,
drückte Friedrich'n flüchtig die Hand und wandte sich
wieder in den Saal zurück.

te. Der Miniſter, ſagte er zu ihm als ſie allein
waren, hat Sie mir ſehr warm, ja ich kann wohl
ſagen, mit Leidenſchaft empfohlen. Es iſt etwas
auſſerordentliches, denn er empfiehlt ſonſt keinen
Menſchen auf dieſe Art. Friedrich äuſſerte darüber
ſeine große Verwunderung, da er von dem Miniſter
grade das Gegentheil erwartete. Der Miniſter,
fuhr der Prinz fort, läßt ſein Urtheil nicht fangen
und ich vertraue Ihnen daher. Unſere Zeit iſt ſo
gewaltig, daß die Tugend nichts gilt ohne Stärke.
Die wenigen Muthigen aus aller Welt ſollten ſich
daher treu zuſammenhalten, als ein rechter Damm
gegen das Böſe. Es wäre nicht ſchön, lieber Graf,
wenn Sie ſich von der gemeinen Noth abſonderten.
Gott behüte mich vor ſolcher Schande! erwiederte
Friedrich halb betroffen, mein Leben gehört Gott
und meinem rechtmäßigen Herrn. Es iſt groß, ſich
ſelber, von aller Welt losgeſagt, fromm und fleiſ¬
ſig auszubilden, ſagte darauf der Prinz begeiſtert,
aber es iſt größer, alle Freuden, alle eignen Wün¬
ſche und Beſtrebungen wegzuwerfen für das Recht,
alles — hier ſtrich ſo eben die Gräfin Romana an
ihnen vorüber. Der Prinz ergriff ihre Hand und
ſagte: So lange von uns wegzubleiben! — Sie
zog langſam ihre Hand aus der ſeinigen und ſah
nur Friedrich'n groß an, als ſähe ſie ihn wieder
zum erſtenmale. Der Prinz lachte unerklärlich,
drückte Friedrich'n flüchtig die Hand und wandte ſich
wieder in den Saal zurück.

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[252/0258] te. Der Miniſter, ſagte er zu ihm als ſie allein waren, hat Sie mir ſehr warm, ja ich kann wohl ſagen, mit Leidenſchaft empfohlen. Es iſt etwas auſſerordentliches, denn er empfiehlt ſonſt keinen Menſchen auf dieſe Art. Friedrich äuſſerte darüber ſeine große Verwunderung, da er von dem Miniſter grade das Gegentheil erwartete. Der Miniſter, fuhr der Prinz fort, läßt ſein Urtheil nicht fangen und ich vertraue Ihnen daher. Unſere Zeit iſt ſo gewaltig, daß die Tugend nichts gilt ohne Stärke. Die wenigen Muthigen aus aller Welt ſollten ſich daher treu zuſammenhalten, als ein rechter Damm gegen das Böſe. Es wäre nicht ſchön, lieber Graf, wenn Sie ſich von der gemeinen Noth abſonderten. Gott behüte mich vor ſolcher Schande! erwiederte Friedrich halb betroffen, mein Leben gehört Gott und meinem rechtmäßigen Herrn. Es iſt groß, ſich ſelber, von aller Welt losgeſagt, fromm und fleiſ¬ ſig auszubilden, ſagte darauf der Prinz begeiſtert, aber es iſt größer, alle Freuden, alle eignen Wün¬ ſche und Beſtrebungen wegzuwerfen für das Recht, alles — hier ſtrich ſo eben die Gräfin Romana an ihnen vorüber. Der Prinz ergriff ihre Hand und ſagte: So lange von uns wegzubleiben! — Sie zog langſam ihre Hand aus der ſeinigen und ſah nur Friedrich'n groß an, als ſähe ſie ihn wieder zum erſtenmale. Der Prinz lachte unerklärlich, drückte Friedrich'n flüchtig die Hand und wandte ſich wieder in den Saal zurück.

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/258>, abgerufen am 23.11.2024.