Steig', Sonne, schön! Wirf von den Höh'n Nacht und die mit ihr kamen, Hinab in Gottes Nahmen!
Friedrich'n ärgerte es recht, daß der Student immerfort so traurig dabey saß. Seine Komödian¬ tin, wie er Friedrich'n hier endlich entdeckte, hatte ihn von neuem verlassen und dießmal auch alle seine Baarschaft mitgenommen. Arm und bloß, und zum Tode verliebt, war er nun dem aufrührerischen Ge¬ birge zugeeilt, um im Kriege sein Ende zu finden. Aber so seyd nur nicht gar so talket! sagte ein Jä¬ ger, der seine Erzählung mit angehört hatte. Mein Schatz, sang ein anderer neben ihm:
Mein Schatz, das ist ein kluges Kind,
Die spricht: "Willst du nicht fechten: Wir zwey geschiedne Leute sind, Erschlagen dich die Schlechten: Auch keins von beyden dran gewinnt." Mein Schatz, das ist ein kluges Kind, Für die will ich leb'n und fechten!
Was ist das für eine Liebe, die so wehmüthi¬ ge, weichliche Tapferkeit erzeugt? sagte Friedrich zum Studenten, denn ihm kam seine Melankolie in dieser Zeit, auf diesen Bergen und unter diesen Leuten unbeschreiblich albern vor. Glaubt mir, das Sterben ist viel zu ernsthaft für einen sentimentali¬ schen Spaß. Wer den Tod fürchtet und wer ihn sucht, sind beydes schlechte Soldaten, wer aber ein
schlechter
Steig', Sonne, ſchön! Wirf von den Höh'n Nacht und die mit ihr kamen, Hinab in Gottes Nahmen!
Friedrich'n ärgerte es recht, daß der Student immerfort ſo traurig dabey ſaß. Seine Komödian¬ tin, wie er Friedrich'n hier endlich entdeckte, hatte ihn von neuem verlaſſen und dießmal auch alle ſeine Baarſchaft mitgenommen. Arm und bloß, und zum Tode verliebt, war er nun dem aufrühreriſchen Ge¬ birge zugeeilt, um im Kriege ſein Ende zu finden. Aber ſo ſeyd nur nicht gar ſo talket! ſagte ein Jä¬ ger, der ſeine Erzählung mit angehört hatte. Mein Schatz, ſang ein anderer neben ihm:
Mein Schatz, das iſt ein kluges Kind,
Die ſpricht: „Willſt du nicht fechten: Wir zwey geſchiedne Leute ſind, Erſchlagen dich die Schlechten: Auch keins von beyden dran gewinnt.“ Mein Schatz, das iſt ein kluges Kind, Für die will ich leb'n und fechten!
Was iſt das für eine Liebe, die ſo wehmüthi¬ ge, weichliche Tapferkeit erzeugt? ſagte Friedrich zum Studenten, denn ihm kam ſeine Melankolie in dieſer Zeit, auf dieſen Bergen und unter dieſen Leuten unbeſchreiblich albern vor. Glaubt mir, das Sterben iſt viel zu ernſthaft für einen ſentimentali¬ ſchen Spaß. Wer den Tod fürchtet und wer ihn ſucht, ſind beydes ſchlechte Soldaten, wer aber ein
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Steig', Sonne, ſchön!
Wirf von den Höh'n
Nacht und die mit ihr kamen,
Hinab in Gottes Nahmen!
Friedrich'n ärgerte es recht, daß der Student
immerfort ſo traurig dabey ſaß. Seine Komödian¬
tin, wie er Friedrich'n hier endlich entdeckte, hatte
ihn von neuem verlaſſen und dießmal auch alle ſeine
Baarſchaft mitgenommen. Arm und bloß, und zum
Tode verliebt, war er nun dem aufrühreriſchen Ge¬
birge zugeeilt, um im Kriege ſein Ende zu finden.
Aber ſo ſeyd nur nicht gar ſo talket! ſagte ein Jä¬
ger, der ſeine Erzählung mit angehört hatte. Mein
Schatz, ſang ein anderer neben ihm:
Mein Schatz, das iſt ein kluges Kind,
Die ſpricht: „Willſt du nicht fechten:
Wir zwey geſchiedne Leute ſind,
Erſchlagen dich die Schlechten:
Auch keins von beyden dran gewinnt.“
Mein Schatz, das iſt ein kluges Kind,
Für die will ich leb'n und fechten!
Was iſt das für eine Liebe, die ſo wehmüthi¬
ge, weichliche Tapferkeit erzeugt? ſagte Friedrich
zum Studenten, denn ihm kam ſeine Melankolie
in dieſer Zeit, auf dieſen Bergen und unter dieſen
Leuten unbeſchreiblich albern vor. Glaubt mir, das
Sterben iſt viel zu ernſthaft für einen ſentimentali¬
ſchen Spaß. Wer den Tod fürchtet und wer ihn
ſucht, ſind beydes ſchlechte Soldaten, wer aber ein
ſchlechter
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/342>, abgerufen am 23.11.2024.
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