brannt, die wenigen übriggebliebenen schienen von den Bewohnern verlassen; es war ein trauriges Denkmal des kaum geendigten Krieges, der an die¬ sen Gegenden besonders seine Wuth recht ausgelas¬ sen hatte. An dem anderen Ende des Dorfes fand Friedrich endlich einen Mann, der auf einem schwarzgebrannten Balken seines umgerissenen Hau¬ ses saß und an einem Stück trockener Brodrinde nagte. Friedrich fragte um Unterkommen für sich und sein Pferd. Der Mann lachte ihm widerlich ins Gesicht und zeigte auf das abgebrannte Dorf.
Ermüdet band Friedrich sein Pferd an und setz¬ te sich zu dem Manne hin. Er befragte ihn, wie so großes Unglück insonderheit dieses Dorf getrof¬ fen? -- Der Mann sagte gleichgültig und wort¬ karg: Wir haben uns den Feinden widersetzt, wor¬ auf unser Dorf abgebrannt und mancher von uns erschossen wurde. Was kümmert mich aber das und das Land und die ganze Welt, fuhr er nach einer Weile fort, mir thut's nur leid um mich, denn zu fressen muß man doch haben! -- Friedrich sah ihn von der Seite an, wie er so an seinem Brode käute, sein Gesicht war hager und bleichgelb und sah nach nichts Gutem aus.
Eine lustige Tanzmusik schallte inzwischen im¬ merfort durch die Nacht zu ihnen herüber. Sie kam aus einem alterthümlichen Schlosse, das dem Dorfe gegenüber auf einer Anhöhe stand. Die Fen¬ ster waren alle hellerleuchtet. Inwendig sah man
brannt, die wenigen übriggebliebenen ſchienen von den Bewohnern verlaſſen; es war ein trauriges Denkmal des kaum geendigten Krieges, der an die¬ ſen Gegenden beſonders ſeine Wuth recht ausgelaſ¬ ſen hatte. An dem anderen Ende des Dorfes fand Friedrich endlich einen Mann, der auf einem ſchwarzgebrannten Balken ſeines umgeriſſenen Hau¬ ſes ſaß und an einem Stück trockener Brodrinde nagte. Friedrich fragte um Unterkommen für ſich und ſein Pferd. Der Mann lachte ihm widerlich ins Geſicht und zeigte auf das abgebrannte Dorf.
Ermüdet band Friedrich ſein Pferd an und ſetz¬ te ſich zu dem Manne hin. Er befragte ihn, wie ſo großes Unglück inſonderheit dieſes Dorf getrof¬ fen? — Der Mann ſagte gleichgültig und wort¬ karg: Wir haben uns den Feinden widerſetzt, wor¬ auf unſer Dorf abgebrannt und mancher von uns erſchoſſen wurde. Was kümmert mich aber das und das Land und die ganze Welt, fuhr er nach einer Weile fort, mir thut's nur leid um mich, denn zu freſſen muß man doch haben! — Friedrich ſah ihn von der Seite an, wie er ſo an ſeinem Brode käute, ſein Geſicht war hager und bleichgelb und ſah nach nichts Gutem aus.
Eine luſtige Tanzmuſik ſchallte inzwiſchen im¬ merfort durch die Nacht zu ihnen herüber. Sie kam aus einem alterthümlichen Schloſſe, das dem Dorfe gegenüber auf einer Anhöhe ſtand. Die Fen¬ ſter waren alle hellerleuchtet. Inwendig ſah man
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brannt, die wenigen übriggebliebenen ſchienen von
den Bewohnern verlaſſen; es war ein trauriges
Denkmal des kaum geendigten Krieges, der an die¬
ſen Gegenden beſonders ſeine Wuth recht ausgelaſ¬
ſen hatte. An dem anderen Ende des Dorfes fand
Friedrich endlich einen Mann, der auf einem
ſchwarzgebrannten Balken ſeines umgeriſſenen Hau¬
ſes ſaß und an einem Stück trockener Brodrinde
nagte. Friedrich fragte um Unterkommen für ſich
und ſein Pferd. Der Mann lachte ihm widerlich
ins Geſicht und zeigte auf das abgebrannte Dorf.
Ermüdet band Friedrich ſein Pferd an und ſetz¬
te ſich zu dem Manne hin. Er befragte ihn, wie
ſo großes Unglück inſonderheit dieſes Dorf getrof¬
fen? — Der Mann ſagte gleichgültig und wort¬
karg: Wir haben uns den Feinden widerſetzt, wor¬
auf unſer Dorf abgebrannt und mancher von uns
erſchoſſen wurde. Was kümmert mich aber das
und das Land und die ganze Welt, fuhr er nach
einer Weile fort, mir thut's nur leid um mich,
denn zu freſſen muß man doch haben! — Friedrich
ſah ihn von der Seite an, wie er ſo an ſeinem
Brode käute, ſein Geſicht war hager und bleichgelb
und ſah nach nichts Gutem aus.
Eine luſtige Tanzmuſik ſchallte inzwiſchen im¬
merfort durch die Nacht zu ihnen herüber. Sie
kam aus einem alterthümlichen Schloſſe, das dem
Dorfe gegenüber auf einer Anhöhe ſtand. Die Fen¬
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/351>, abgerufen am 23.11.2024.
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