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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Kuhstall nebst einer vollständigen holländischen
Mayerey in der neuesten Manier, aber alles leer.
Ueber der Mayerey hieng wie ein Bienenkorb eine
Art von schwebender Einsiedeley. Den zweiten Ein¬
gang bildete ein viereckiger Thurm, wie bey den al¬
ten Burgen, der eine Ruine vorstellen sollte, und
auf dessen Mauer hin und her Blumentöpfe mit
Moos umherstanden. Ueber das ganze Gemisch
hinweg endlich erhob sich ein feingeschnitztes, bun¬
tes, chinesisches Thürmchen, an welchem unzählige
Glöcklein im Winde musizirten. Unter diesem
Thürmchen in dem innersten Gemache saß immitten
des getäfelten Bodens ein unförmlicher, kleiner
Chinese von Porzellain mit untergeschlagenen Bei¬
nen und dickem Bauche und wackelte einsam fort
mit dem breiten Kahlkopfe, als der einzige Bewoh¬
ner seines unsinnigen Pallastes.

Nein, das ist zu toll! sagte Leontin, was gäb'
ich d'rum, wenn wir den Phantasten von Baumei¬
ster noch selber in seinem Zauberneste überraschten!
Das ist ja ein wahrer Surrogat-Tempel für alle
Geschmäcke auf Erden.

Während deß waren sie endlich in dem letzten
Gemache des Gebäudes angekommen, welches mit
großen goldenen Buchstaben: "Gesellschafts-Saal"
überschrieben war. Sie erstaunten auch wirklich beym
Eintritt nicht wenig über die ungeheuere Gesellschaft,
denn Wände und Decke bestanden daselbst aus
künstlich-geschliffenen Spiegeln, die ihre Gestalten
auf einmal ins Unendliche vervielfältigten. Ihr

Kuhſtall nebſt einer vollſtändigen holländiſchen
Mayerey in der neueſten Manier, aber alles leer.
Ueber der Mayerey hieng wie ein Bienenkorb eine
Art von ſchwebender Einſiedeley. Den zweiten Ein¬
gang bildete ein viereckiger Thurm, wie bey den al¬
ten Burgen, der eine Ruine vorſtellen ſollte, und
auf deſſen Mauer hin und her Blumentöpfe mit
Moos umherſtanden. Ueber das ganze Gemiſch
hinweg endlich erhob ſich ein feingeſchnitztes, bun¬
tes, chineſiſches Thürmchen, an welchem unzählige
Glöcklein im Winde muſizirten. Unter dieſem
Thürmchen in dem innerſten Gemache ſaß immitten
des getäfelten Bodens ein unförmlicher, kleiner
Chineſe von Porzellain mit untergeſchlagenen Bei¬
nen und dickem Bauche und wackelte einſam fort
mit dem breiten Kahlkopfe, als der einzige Bewoh¬
ner ſeines unſinnigen Pallaſtes.

Nein, das iſt zu toll! ſagte Leontin, was gäb'
ich d'rum, wenn wir den Phantaſten von Baumei¬
ſter noch ſelber in ſeinem Zauberneſte überraſchten!
Das iſt ja ein wahrer Surrogat-Tempel für alle
Geſchmäcke auf Erden.

Während deß waren ſie endlich in dem letzten
Gemache des Gebäudes angekommen, welches mit
großen goldenen Buchſtaben: „Geſellſchafts-Saal“
überſchrieben war. Sie erſtaunten auch wirklich beym
Eintritt nicht wenig über die ungeheuere Geſellſchaft,
denn Wände und Decke beſtanden daſelbſt aus
künſtlich-geſchliffenen Spiegeln, die ihre Geſtalten
auf einmal ins Unendliche vervielfältigten. Ihr

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[390/0396] Kuhſtall nebſt einer vollſtändigen holländiſchen Mayerey in der neueſten Manier, aber alles leer. Ueber der Mayerey hieng wie ein Bienenkorb eine Art von ſchwebender Einſiedeley. Den zweiten Ein¬ gang bildete ein viereckiger Thurm, wie bey den al¬ ten Burgen, der eine Ruine vorſtellen ſollte, und auf deſſen Mauer hin und her Blumentöpfe mit Moos umherſtanden. Ueber das ganze Gemiſch hinweg endlich erhob ſich ein feingeſchnitztes, bun¬ tes, chineſiſches Thürmchen, an welchem unzählige Glöcklein im Winde muſizirten. Unter dieſem Thürmchen in dem innerſten Gemache ſaß immitten des getäfelten Bodens ein unförmlicher, kleiner Chineſe von Porzellain mit untergeſchlagenen Bei¬ nen und dickem Bauche und wackelte einſam fort mit dem breiten Kahlkopfe, als der einzige Bewoh¬ ner ſeines unſinnigen Pallaſtes. Nein, das iſt zu toll! ſagte Leontin, was gäb' ich d'rum, wenn wir den Phantaſten von Baumei¬ ſter noch ſelber in ſeinem Zauberneſte überraſchten! Das iſt ja ein wahrer Surrogat-Tempel für alle Geſchmäcke auf Erden. Während deß waren ſie endlich in dem letzten Gemache des Gebäudes angekommen, welches mit großen goldenen Buchſtaben: „Geſellſchafts-Saal“ überſchrieben war. Sie erſtaunten auch wirklich beym Eintritt nicht wenig über die ungeheuere Geſellſchaft, denn Wände und Decke beſtanden daſelbſt aus künſtlich-geſchliffenen Spiegeln, die ihre Geſtalten auf einmal ins Unendliche vervielfältigten. Ihr

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/396>, abgerufen am 23.11.2024.