Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Mensch nun aus der tiefen Welt
Der Träume tritt heraus,
Freut sich, daß alles noch so hält,
Daß noch das Spiel nicht aus.
Und nun geht's an ein Fleissigseyn!
Umsumsend Berg und Thal,
Agiret lustig Groß und Klein,
Den Plunder allzumal.
Die Sonne steiget einsam auf,
Ernst über Lust und Weh,
Lenkt sie den ungestörten Lauf,
In stiller Glorie. --
Und wie er dehnt die Flügel aus,
Und wie er auch sich stellt:
Der Mensch kann nimmermehr hinaus,
Aus dieser Narrenwelt.

Die beyden Freunde eilten sogleich auf das son¬
derbare Lied hinunter und aus dem Schlosse hin¬
aus. Die Wälder rauchten ringsum aus den Thä¬
lern, eine kühle Morgenluft griff stärkend an alle
Glieder. Der Gesang hatte unterdeß aufgehört,
doch erblickten sie in jener Gegend, wo er herge¬
kommen war, einen großen, schönen, ziemlich jun¬
gen Mann an dem Eingange des Waldes. Er stand
auf und schien weggeh'n zu wollen, als er sie ge¬
wahr wurde; dann blieb er stehen und sah sie noch
einmal an, kam darauf auf sie zu, faßte Frie¬
drich'n bey der Hand und sagte sehr gleichgültig:
Willkommen Bruder! --

Der Menſch nun aus der tiefen Welt
Der Träume tritt heraus,
Freut ſich, daß alles noch ſo hält,
Daß noch das Spiel nicht aus.
Und nun geht's an ein Fleiſſigſeyn!
Umſumſend Berg und Thal,
Agiret luſtig Groß und Klein,
Den Plunder allzumal.
Die Sonne ſteiget einſam auf,
Ernſt über Luſt und Weh,
Lenkt ſie den ungeſtörten Lauf,
In ſtiller Glorie. —
Und wie er dehnt die Flügel aus,
Und wie er auch ſich ſtellt:
Der Menſch kann nimmermehr hinaus,
Aus dieſer Narrenwelt.

Die beyden Freunde eilten ſogleich auf das ſon¬
derbare Lied hinunter und aus dem Schloſſe hin¬
aus. Die Wälder rauchten ringsum aus den Thä¬
lern, eine kühle Morgenluft griff ſtärkend an alle
Glieder. Der Geſang hatte unterdeß aufgehört,
doch erblickten ſie in jener Gegend, wo er herge¬
kommen war, einen großen, ſchönen, ziemlich jun¬
gen Mann an dem Eingange des Waldes. Er ſtand
auf und ſchien weggeh'n zu wollen, als er ſie ge¬
wahr wurde; dann blieb er ſtehen und ſah ſie noch
einmal an, kam darauf auf ſie zu, faßte Frie¬
drich'n bey der Hand und ſagte ſehr gleichgültig:
Willkommen Bruder! —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0414" n="408"/>
            <lg n="6">
              <l rendition="#et">Der Men&#x017F;ch nun aus der tiefen Welt</l><lb/>
              <l>Der Träume tritt heraus,</l><lb/>
              <l>Freut &#x017F;ich, daß alles noch &#x017F;o hält,</l><lb/>
              <l>Daß noch das Spiel nicht aus.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="7">
              <l rendition="#et">Und nun geht's an ein Flei&#x017F;&#x017F;ig&#x017F;eyn!</l><lb/>
              <l>Um&#x017F;um&#x017F;end Berg und Thal,</l><lb/>
              <l>Agiret lu&#x017F;tig Groß und Klein,</l><lb/>
              <l>Den Plunder allzumal.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="8">
              <l rendition="#et">Die Sonne &#x017F;teiget ein&#x017F;am auf,</l><lb/>
              <l>Ern&#x017F;t über Lu&#x017F;t und Weh,</l><lb/>
              <l>Lenkt &#x017F;ie den unge&#x017F;törten Lauf,</l><lb/>
              <l>In &#x017F;tiller Glorie. &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="9">
              <l rendition="#et">Und <hi rendition="#g">wie</hi> er dehnt die Flügel aus,</l><lb/>
              <l>Und <hi rendition="#g">wie</hi> er auch &#x017F;ich &#x017F;tellt:</l><lb/>
              <l>Der Men&#x017F;ch kann nimmermehr hinaus,</l><lb/>
              <l>Aus die&#x017F;er Narrenwelt.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <p>Die beyden Freunde eilten &#x017F;ogleich auf das &#x017F;on¬<lb/>
derbare Lied hinunter und aus dem Schlo&#x017F;&#x017F;e hin¬<lb/>
aus. Die Wälder rauchten ringsum aus den Thä¬<lb/>
lern, eine kühle Morgenluft griff &#x017F;tärkend an alle<lb/>
Glieder. Der Ge&#x017F;ang hatte unterdeß aufgehört,<lb/>
doch erblickten &#x017F;ie in jener Gegend, wo er herge¬<lb/>
kommen war, einen großen, &#x017F;chönen, ziemlich jun¬<lb/>
gen Mann an dem Eingange des Waldes. Er &#x017F;tand<lb/>
auf und &#x017F;chien weggeh'n zu wollen, als er &#x017F;ie ge¬<lb/>
wahr wurde; dann blieb er &#x017F;tehen und &#x017F;ah &#x017F;ie noch<lb/>
einmal an, kam darauf auf &#x017F;ie zu, faßte Frie¬<lb/>
drich'n bey der Hand und &#x017F;agte &#x017F;ehr gleichgültig:<lb/>
Willkommen Bruder! &#x2014;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[408/0414] Der Menſch nun aus der tiefen Welt Der Träume tritt heraus, Freut ſich, daß alles noch ſo hält, Daß noch das Spiel nicht aus. Und nun geht's an ein Fleiſſigſeyn! Umſumſend Berg und Thal, Agiret luſtig Groß und Klein, Den Plunder allzumal. Die Sonne ſteiget einſam auf, Ernſt über Luſt und Weh, Lenkt ſie den ungeſtörten Lauf, In ſtiller Glorie. — Und wie er dehnt die Flügel aus, Und wie er auch ſich ſtellt: Der Menſch kann nimmermehr hinaus, Aus dieſer Narrenwelt. Die beyden Freunde eilten ſogleich auf das ſon¬ derbare Lied hinunter und aus dem Schloſſe hin¬ aus. Die Wälder rauchten ringsum aus den Thä¬ lern, eine kühle Morgenluft griff ſtärkend an alle Glieder. Der Geſang hatte unterdeß aufgehört, doch erblickten ſie in jener Gegend, wo er herge¬ kommen war, einen großen, ſchönen, ziemlich jun¬ gen Mann an dem Eingange des Waldes. Er ſtand auf und ſchien weggeh'n zu wollen, als er ſie ge¬ wahr wurde; dann blieb er ſtehen und ſah ſie noch einmal an, kam darauf auf ſie zu, faßte Frie¬ drich'n bey der Hand und ſagte ſehr gleichgültig: Willkommen Bruder! —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/414
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/414>, abgerufen am 23.11.2024.