meyne, empfindlich ins Wort, denn Euere Possen haben das Mädchen ins Grab gebracht. -- Besser todt, als eine H -- sagte Rudolph gelassen. Aber, fuhr er fort, was treibt euch aus der Welt hier zu mir herauf? Sucht Ihr Ruhe: ich habe selber keine, sucht Ihr Liebe: ich liebe keinen Menschen, oder wollt Ihr mich listig aussondiren, zerstreuen und lustig machen: so zieht nur in Frieden wieder hinunter, eßt, trinkt, arbeitet fleissig, schlaft bey eueren Weibern oder Mädchen, seyd lustig und lacht, daß ihr euch krähend die Seiten halten müßt, und danket Gott, daß er euch weiße Lebern, einen ordentlichen Verstand, keinen überflüssigen Witz, gesellige Sitten und ein langes, wohlgefälli¬ ges Leben bescheret hat -- denn mir ist das alles zuwider. -- Friedrich sah den Bruder staunend an, dann sagte er: Wie ist dein Gemüth so feindselig und wüst geworden! Hat dich die Liebe -- Nein, sagte Rudolph, Ihr seyd gar verliebt, da lebt recht wohl!
Hiemit gieng er wirklich mit großen Schritten in den Wald hinein und war bald hinter den Bäu¬ men verschwunden. Leontin lief ihm einige Schrit¬ te nach, aber vergebens. Nein, rief er endlich aus, er soll mich nicht so verachten, der wunderliche Ge¬ sell! Ich bin so reich und so verrückt wie Er! -- Friedrich sagte: Ich kann es nicht mit Worten aus¬ drücken, wie es mich rührt, den tapferen, gerech¬ ten, rüstigen Knaben, der mir immer vorgeschwebt, wenn ich Dich ansah, so verwildert wiederzusehen.
meyne, empfindlich ins Wort, denn Euere Poſſen haben das Mädchen ins Grab gebracht. — Beſſer todt, als eine H — ſagte Rudolph gelaſſen. Aber, fuhr er fort, was treibt euch aus der Welt hier zu mir herauf? Sucht Ihr Ruhe: ich habe ſelber keine, ſucht Ihr Liebe: ich liebe keinen Menſchen, oder wollt Ihr mich liſtig ausſondiren, zerſtreuen und luſtig machen: ſo zieht nur in Frieden wieder hinunter, eßt, trinkt, arbeitet fleiſſig, ſchlaft bey eueren Weibern oder Mädchen, ſeyd luſtig und lacht, daß ihr euch krähend die Seiten halten müßt, und danket Gott, daß er euch weiße Lebern, einen ordentlichen Verſtand, keinen überflüſſigen Witz, geſellige Sitten und ein langes, wohlgefälli¬ ges Leben beſcheret hat — denn mir iſt das alles zuwider. — Friedrich ſah den Bruder ſtaunend an, dann ſagte er: Wie iſt dein Gemüth ſo feindſelig und wüſt geworden! Hat dich die Liebe — Nein, ſagte Rudolph, Ihr ſeyd gar verliebt, da lebt recht wohl!
Hiemit gieng er wirklich mit großen Schritten in den Wald hinein und war bald hinter den Bäu¬ men verſchwunden. Leontin lief ihm einige Schrit¬ te nach, aber vergebens. Nein, rief er endlich aus, er ſoll mich nicht ſo verachten, der wunderliche Ge¬ ſell! Ich bin ſo reich und ſo verrückt wie Er! — Friedrich ſagte: Ich kann es nicht mit Worten aus¬ drücken, wie es mich rührt, den tapferen, gerech¬ ten, rüſtigen Knaben, der mir immer vorgeſchwebt, wenn ich Dich anſah, ſo verwildert wiederzuſehen.
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meyne, empfindlich ins Wort, denn Euere Poſſen
haben das Mädchen ins Grab gebracht. — Beſſer
todt, als eine H — ſagte Rudolph gelaſſen. Aber,
fuhr er fort, was treibt euch aus der Welt hier
zu mir herauf? Sucht Ihr Ruhe: ich habe ſelber
keine, ſucht Ihr Liebe: ich liebe keinen Menſchen,
oder wollt Ihr mich liſtig ausſondiren, zerſtreuen
und luſtig machen: ſo zieht nur in Frieden wieder
hinunter, eßt, trinkt, arbeitet fleiſſig, ſchlaft bey
eueren Weibern oder Mädchen, ſeyd luſtig und
lacht, daß ihr euch krähend die Seiten halten
müßt, und danket Gott, daß er euch weiße Lebern,
einen ordentlichen Verſtand, keinen überflüſſigen
Witz, geſellige Sitten und ein langes, wohlgefälli¬
ges Leben beſcheret hat — denn mir iſt das alles
zuwider. — Friedrich ſah den Bruder ſtaunend an,
dann ſagte er: Wie iſt dein Gemüth ſo feindſelig
und wüſt geworden! Hat dich die Liebe — Nein,
ſagte Rudolph, Ihr ſeyd gar verliebt, da lebt recht
wohl!
Hiemit gieng er wirklich mit großen Schritten
in den Wald hinein und war bald hinter den Bäu¬
men verſchwunden. Leontin lief ihm einige Schrit¬
te nach, aber vergebens. Nein, rief er endlich aus,
er ſoll mich nicht ſo verachten, der wunderliche Ge¬
ſell! Ich bin ſo reich und ſo verrückt wie Er! —
Friedrich ſagte: Ich kann es nicht mit Worten aus¬
drücken, wie es mich rührt, den tapferen, gerech¬
ten, rüſtigen Knaben, der mir immer vorgeſchwebt,
wenn ich Dich anſah, ſo verwildert wiederzuſehen.
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/416>, abgerufen am 23.11.2024.
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