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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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war dabey das Verstellen und das zierliche Nied¬
lichthun der Vormünderin und des Hofmeisters un¬
begreiflich, die immer auf einmal ganz andere Leute
waren, wenn Gäste kamen. Ja, ich erinnere mich,
daß ich den letzteren einigemal, wenn er so ausser
dem gewöhnlichen Wege besonders klug sprach,
hinten am Rocke zupfte und laut auflachte, worauf
ich denn jedesmal mit drohenden Blicken aus dem
Zimmer verwiesen wurde. Mit Prügeln war bey
mir nichts auszurichten, denn ich vertheidigte mich
bis zum Tode gegen den Hofmeister und jedermann,
der mich schlagen wollte. So kam es denn endlich,
daß ich bey jeder Gelegenheit hintangesetzt wurde.
Man hielt mich für einen trübseligen Einfaltspinsel,
von dem weder etwas zu hoffen noch zu fürchten
sey. Ich wurde dadurch nur noch immer tiefsinni¬
ger und einsamer und träumte unaufhörlich von ei¬
ner geheimen Verschwörung Aller gegen mich, selbst
Dich nicht ausgenommen, weil Du mit den meisten
im Hause gut standst.

Ein einziges liebes Bild gieng in dieser dunk¬
len, schwerer Träume vollen, Zeit an mir vorüber.
Es war die kleine Angelina, die Tochter eines
verwandten italienischen Marchese, der sich auch
vor den Unruhen in Italien zu uns geflüchtet hatte
und lange Zeit dort blieb. Du wirst Dich des lieb¬
lichen, wunderschönen Kindes erinnern, wie sie von
uns Deutsch lernte und so schöne, welsche Lieder
wußte. Ich hatte damals Tag und Nacht keine
Seelensruh vor diesem schönen Bilde. Inzwischen

war dabey das Verſtellen und das zierliche Nied¬
lichthun der Vormünderin und des Hofmeiſters un¬
begreiflich, die immer auf einmal ganz andere Leute
waren, wenn Gäſte kamen. Ja, ich erinnere mich,
daß ich den letzteren einigemal, wenn er ſo auſſer
dem gewöhnlichen Wege beſonders klug ſprach,
hinten am Rocke zupfte und laut auflachte, worauf
ich denn jedesmal mit drohenden Blicken aus dem
Zimmer verwieſen wurde. Mit Prügeln war bey
mir nichts auszurichten, denn ich vertheidigte mich
bis zum Tode gegen den Hofmeiſter und jedermann,
der mich ſchlagen wollte. So kam es denn endlich,
daß ich bey jeder Gelegenheit hintangeſetzt wurde.
Man hielt mich für einen trübſeligen Einfaltspinſel,
von dem weder etwas zu hoffen noch zu fürchten
ſey. Ich wurde dadurch nur noch immer tiefſinni¬
ger und einſamer und träumte unaufhörlich von ei¬
ner geheimen Verſchwörung Aller gegen mich, ſelbſt
Dich nicht ausgenommen, weil Du mit den meiſten
im Hauſe gut ſtandſt.

Ein einziges liebes Bild gieng in dieſer dunk¬
len, ſchwerer Träume vollen, Zeit an mir vorüber.
Es war die kleine Angelina, die Tochter eines
verwandten italieniſchen Marcheſe, der ſich auch
vor den Unruhen in Italien zu uns geflüchtet hatte
und lange Zeit dort blieb. Du wirſt Dich des lieb¬
lichen, wunderſchönen Kindes erinnern, wie ſie von
uns Deutſch lernte und ſo ſchöne, welſche Lieder
wußte. Ich hatte damals Tag und Nacht keine
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[418/0424] war dabey das Verſtellen und das zierliche Nied¬ lichthun der Vormünderin und des Hofmeiſters un¬ begreiflich, die immer auf einmal ganz andere Leute waren, wenn Gäſte kamen. Ja, ich erinnere mich, daß ich den letzteren einigemal, wenn er ſo auſſer dem gewöhnlichen Wege beſonders klug ſprach, hinten am Rocke zupfte und laut auflachte, worauf ich denn jedesmal mit drohenden Blicken aus dem Zimmer verwieſen wurde. Mit Prügeln war bey mir nichts auszurichten, denn ich vertheidigte mich bis zum Tode gegen den Hofmeiſter und jedermann, der mich ſchlagen wollte. So kam es denn endlich, daß ich bey jeder Gelegenheit hintangeſetzt wurde. Man hielt mich für einen trübſeligen Einfaltspinſel, von dem weder etwas zu hoffen noch zu fürchten ſey. Ich wurde dadurch nur noch immer tiefſinni¬ ger und einſamer und träumte unaufhörlich von ei¬ ner geheimen Verſchwörung Aller gegen mich, ſelbſt Dich nicht ausgenommen, weil Du mit den meiſten im Hauſe gut ſtandſt. Ein einziges liebes Bild gieng in dieſer dunk¬ len, ſchwerer Träume vollen, Zeit an mir vorüber. Es war die kleine Angelina, die Tochter eines verwandten italieniſchen Marcheſe, der ſich auch vor den Unruhen in Italien zu uns geflüchtet hatte und lange Zeit dort blieb. Du wirſt Dich des lieb¬ lichen, wunderſchönen Kindes erinnern, wie ſie von uns Deutſch lernte und ſo ſchöne, welſche Lieder wußte. Ich hatte damals Tag und Nacht keine Seelensruh vor dieſem ſchönen Bilde. Inzwiſchen

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/424>, abgerufen am 23.11.2024.