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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Was sind das für so lange
Gebirge weit und breit?
Mir wird auf einmal bange
In dieser Einsamkeit!
Und fremde Leute stehen,
Auf mancher Felsenwand
Und stehen still und sehen
So schwindlich über'n Rand." --
Der Bräut'gam schien so traurig
Und sprach kein einzig Wort,
Schaut in die Wellen schaurig
Und rudert immerfort.
Sie sprach: "Schon seh' ich Streifen,
So roth im Morgen steh'n,
Und Stimmen hör' ich schweifen,
Am Ufer Hähne kräh'n.
Du siehst so still und wilde,
So bleich wird Dein Gesicht,
Mir graut vor Deinem Bilde --
Du bist mein Bräut'gam nicht!" --

Ich bitte Dich um Gotteswillen, unterbrach
mich hier Angelina dringend, nimm die Larve ab,
ich fürchte mich vor Dir. -- Laß das, sagte ich ab¬
wehrend, es giebt fürchterliche Gesichter, die das
Herz in Stein verwandeln, wie das Haupt der
Medusa. -- Ich hatte fast zu viel gesagt und griff
rasch wieder in die Saiten:

Da stand er auf -- das Sausen
Hielt an in Fluth und Wald --
Es rührt mit Lust und Grausen,
Das Herz Ihr die Gestalt.
Was ſind das für ſo lange
Gebirge weit und breit?
Mir wird auf einmal bange
In dieſer Einſamkeit!
Und fremde Leute ſtehen,
Auf mancher Felſenwand
Und ſtehen ſtill und ſehen
So ſchwindlich über'n Rand.“ —
Der Bräut'gam ſchien ſo traurig
Und ſprach kein einzig Wort,
Schaut in die Wellen ſchaurig
Und rudert immerfort.
Sie ſprach: „Schon ſeh' ich Streifen,
So roth im Morgen ſteh'n,
Und Stimmen hör' ich ſchweifen,
Am Ufer Hähne kräh'n.
Du ſiehſt ſo ſtill und wilde,
So bleich wird Dein Geſicht,
Mir graut vor Deinem Bilde —
Du biſt mein Bräut'gam nicht!“ —

Ich bitte Dich um Gotteswillen, unterbrach
mich hier Angelina dringend, nimm die Larve ab,
ich fürchte mich vor Dir. — Laß das, ſagte ich ab¬
wehrend, es giebt fürchterliche Geſichter, die das
Herz in Stein verwandeln, wie das Haupt der
Meduſa. — Ich hatte faſt zu viel geſagt und griff
raſch wieder in die Saiten:

Da ſtand er auf — das Sauſen
Hielt an in Fluth und Wald —
Es rührt mit Luſt und Grauſen,
Das Herz Ihr die Geſtalt.
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[442/0448] Was ſind das für ſo lange Gebirge weit und breit? Mir wird auf einmal bange In dieſer Einſamkeit! Und fremde Leute ſtehen, Auf mancher Felſenwand Und ſtehen ſtill und ſehen So ſchwindlich über'n Rand.“ — Der Bräut'gam ſchien ſo traurig Und ſprach kein einzig Wort, Schaut in die Wellen ſchaurig Und rudert immerfort. Sie ſprach: „Schon ſeh' ich Streifen, So roth im Morgen ſteh'n, Und Stimmen hör' ich ſchweifen, Am Ufer Hähne kräh'n. Du ſiehſt ſo ſtill und wilde, So bleich wird Dein Geſicht, Mir graut vor Deinem Bilde — Du biſt mein Bräut'gam nicht!“ — Ich bitte Dich um Gotteswillen, unterbrach mich hier Angelina dringend, nimm die Larve ab, ich fürchte mich vor Dir. — Laß das, ſagte ich ab¬ wehrend, es giebt fürchterliche Geſichter, die das Herz in Stein verwandeln, wie das Haupt der Meduſa. — Ich hatte faſt zu viel geſagt und griff raſch wieder in die Saiten: Da ſtand er auf — das Sauſen Hielt an in Fluth und Wald — Es rührt mit Luſt und Grauſen, Das Herz Ihr die Geſtalt.

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/448>, abgerufen am 23.11.2024.