Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.baute sich phantastisch blitzende Eispalläste und zer¬ Rudolphs seltsam verwildertem Gemüth war Nach solchen Perioden machte er dann gewöhn¬ 29 *
baute ſich phantaſtiſch blitzende Eispalläſte und zer¬ Rudolphs ſeltſam verwildertem Gemüth war Nach ſolchen Perioden machte er dann gewöhn¬ 29 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0457" n="451"/> baute ſich phantaſtiſch blitzende Eispalläſte und zer¬<lb/> ſtörte ſie wieder und ſchüttelte unaufhörlich eiſige<lb/> Flocken aus ſeinem weiten Mantel darüber. Der<lb/> ſtumme Wald ſah aus wie die Säulen eines umge¬<lb/> fallenen Tempels, die Erde war weiß, ſo weit die<lb/> Blicke reichten, das Meer dunkel; es war eine un¬<lb/> beſchreibliche Einſamkeit da droben.</p><lb/> <p>Rudolphs ſeltſam verwildertem Gemüth war<lb/> dieſe Zeit eben recht. Er ſtreifte oft halbe Tage<lb/> lang mitten im Sturm und Schneegeſtöber auf al¬<lb/> len den alten Plätzen umher. Abends pflegte er<lb/> häufig bis tief in die Nacht auf ſeiner Sternwarte<lb/> zu ſitzen und die Konjunkturen der Geſtirne zu be¬<lb/> obachten. Eine Menge alter aſtrologiſcher Bücher<lb/> lag dabey um ihn her, aus denen er verſchiedenes<lb/> auszeichnete und geheimnißvolle Figuren bildete.</p><lb/> <p>Nach ſolchen Perioden machte er dann gewöhn¬<lb/> lich wieder größere Streifzüge, manchmal bis ans<lb/> Meer, wo es ihm eine eigne Luſt war, ganz al¬<lb/> lein auf einem Kahne mit Lebensgefahr in die wil¬<lb/> de, unermeßliche Einöde hinauszufahren. Bisweilen<lb/> verirrte er ſich auch wohl in den Thälern zu man¬<lb/> chem einſamen Landſchloſſe, wenn er in der Fa¬<lb/> ſchingszeit die Fenſter hellerleuchtet ſah. Er be¬<lb/> trachtete dann gewöhnlich drauſſen die Tanzenden<lb/> durchs Fenſter, wurde aber immer bald von dem<lb/> raſenden Trompeten und Geigen wieder vertrieben.<lb/></p> <fw place="bottom" type="sig">29 *<lb/></fw> </div> </div> </body> </text> </TEI> [451/0457]
baute ſich phantaſtiſch blitzende Eispalläſte und zer¬
ſtörte ſie wieder und ſchüttelte unaufhörlich eiſige
Flocken aus ſeinem weiten Mantel darüber. Der
ſtumme Wald ſah aus wie die Säulen eines umge¬
fallenen Tempels, die Erde war weiß, ſo weit die
Blicke reichten, das Meer dunkel; es war eine un¬
beſchreibliche Einſamkeit da droben.
Rudolphs ſeltſam verwildertem Gemüth war
dieſe Zeit eben recht. Er ſtreifte oft halbe Tage
lang mitten im Sturm und Schneegeſtöber auf al¬
len den alten Plätzen umher. Abends pflegte er
häufig bis tief in die Nacht auf ſeiner Sternwarte
zu ſitzen und die Konjunkturen der Geſtirne zu be¬
obachten. Eine Menge alter aſtrologiſcher Bücher
lag dabey um ihn her, aus denen er verſchiedenes
auszeichnete und geheimnißvolle Figuren bildete.
Nach ſolchen Perioden machte er dann gewöhn¬
lich wieder größere Streifzüge, manchmal bis ans
Meer, wo es ihm eine eigne Luſt war, ganz al¬
lein auf einem Kahne mit Lebensgefahr in die wil¬
de, unermeßliche Einöde hinauszufahren. Bisweilen
verirrte er ſich auch wohl in den Thälern zu man¬
chem einſamen Landſchloſſe, wenn er in der Fa¬
ſchingszeit die Fenſter hellerleuchtet ſah. Er be¬
trachtete dann gewöhnlich drauſſen die Tanzenden
durchs Fenſter, wurde aber immer bald von dem
raſenden Trompeten und Geigen wieder vertrieben.
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