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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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fragte Faber, indem er selbst langsam sein Glas
aufhob. -- Nur nicht etwa in der Brust des Phi¬
losophen allein, erwiederte Leontin, unangenehm
gestört. Diese allgemeine, natürliche, philosophische
Freyheit, der jede Welt gut genug ist, um sich in
ihrem Hochmuthe frey zu fühlen, ist mir eben so in
der Seele zuwider, als jene natürliche Religion,
welcher alle Religionen einerley sind. Ich meyne
jene uralte, lebendige Freyheit, die uns in großen
Wäldern wie mit wehmüthigen Erinnerungen an¬
weht, oder bey alten Burgen sich wie ein Geist auf
die verfallene Zinne stellt, der das Menschenschiff¬
lein unten wohl zufahren heißt, jene frische, ewig¬
junge Waldesbraut, nach welcher der Jäger früh¬
morgens aus den Dörfern und Städten hinauszieht
und sie mit seinem Horne lockt und ruft, jener rei¬
ne, kühle Lebensathem, den die Gebirgsvölker auf
ihren Alpen einsaugen, daß sie nicht anders leben
können, als wie es der Ehre geziemt. -- Aber da¬
mit ist es nun aus. -- Wenn unserer Altvordern
Herzen wohl mit dreyfachem Erz gewappnet waren,
das vor dem rechten Strahle erklang, wie das Erz
von Dodona, so sind die unsrigen nun mit sechsfa¬
cher Butter des häuslichen Glückes, des guten Ge¬
schmacks, zarter Empfindungen und edelmüthiger
Handlungen umgeben, durch die kein Wunderlaut
bis zu der Talggrube hindurchdringt. Zieht dann
von Zeit zu Zeit einmal ein wunderbarer, altfrän¬
kischer Gesell, der es noch ehrlich und ernsthaft
meynt, wie Don Quixote, vorüber, so sehen Her¬

fragte Faber, indem er ſelbſt langſam ſein Glas
aufhob. — Nur nicht etwa in der Bruſt des Phi¬
loſophen allein, erwiederte Leontin, unangenehm
geſtört. Dieſe allgemeine, natürliche, philoſophiſche
Freyheit, der jede Welt gut genug iſt, um ſich in
ihrem Hochmuthe frey zu fühlen, iſt mir eben ſo in
der Seele zuwider, als jene natürliche Religion,
welcher alle Religionen einerley ſind. Ich meyne
jene uralte, lebendige Freyheit, die uns in großen
Wäldern wie mit wehmüthigen Erinnerungen an¬
weht, oder bey alten Burgen ſich wie ein Geiſt auf
die verfallene Zinne ſtellt, der das Menſchenſchiff¬
lein unten wohl zufahren heißt, jene friſche, ewig¬
junge Waldesbraut, nach welcher der Jäger früh¬
morgens aus den Dörfern und Städten hinauszieht
und ſie mit ſeinem Horne lockt und ruft, jener rei¬
ne, kühle Lebensathem, den die Gebirgsvölker auf
ihren Alpen einſaugen, daß ſie nicht anders leben
können, als wie es der Ehre geziemt. — Aber da¬
mit iſt es nun aus. — Wenn unſerer Altvordern
Herzen wohl mit dreyfachem Erz gewappnet waren,
das vor dem rechten Strahle erklang, wie das Erz
von Dodona, ſo ſind die unſrigen nun mit ſechsfa¬
cher Butter des häuslichen Glückes, des guten Ge¬
ſchmacks, zarter Empfindungen und edelmüthiger
Handlungen umgeben, durch die kein Wunderlaut
bis zu der Talggrube hindurchdringt. Zieht dann
von Zeit zu Zeit einmal ein wunderbarer, altfrän¬
kiſcher Geſell, der es noch ehrlich und ernſthaft
meynt, wie Don Quixote, vorüber, ſo ſehen Her¬

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[460/0466] fragte Faber, indem er ſelbſt langſam ſein Glas aufhob. — Nur nicht etwa in der Bruſt des Phi¬ loſophen allein, erwiederte Leontin, unangenehm geſtört. Dieſe allgemeine, natürliche, philoſophiſche Freyheit, der jede Welt gut genug iſt, um ſich in ihrem Hochmuthe frey zu fühlen, iſt mir eben ſo in der Seele zuwider, als jene natürliche Religion, welcher alle Religionen einerley ſind. Ich meyne jene uralte, lebendige Freyheit, die uns in großen Wäldern wie mit wehmüthigen Erinnerungen an¬ weht, oder bey alten Burgen ſich wie ein Geiſt auf die verfallene Zinne ſtellt, der das Menſchenſchiff¬ lein unten wohl zufahren heißt, jene friſche, ewig¬ junge Waldesbraut, nach welcher der Jäger früh¬ morgens aus den Dörfern und Städten hinauszieht und ſie mit ſeinem Horne lockt und ruft, jener rei¬ ne, kühle Lebensathem, den die Gebirgsvölker auf ihren Alpen einſaugen, daß ſie nicht anders leben können, als wie es der Ehre geziemt. — Aber da¬ mit iſt es nun aus. — Wenn unſerer Altvordern Herzen wohl mit dreyfachem Erz gewappnet waren, das vor dem rechten Strahle erklang, wie das Erz von Dodona, ſo ſind die unſrigen nun mit ſechsfa¬ cher Butter des häuslichen Glückes, des guten Ge¬ ſchmacks, zarter Empfindungen und edelmüthiger Handlungen umgeben, durch die kein Wunderlaut bis zu der Talggrube hindurchdringt. Zieht dann von Zeit zu Zeit einmal ein wunderbarer, altfrän¬ kiſcher Geſell, der es noch ehrlich und ernſthaft meynt, wie Don Quixote, vorüber, ſo ſehen Her¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/466>, abgerufen am 25.11.2024.