Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

Schritte immer höher und länger, bis er sich end¬
lich in Riesengröße in den Wald hinein verlohr.
Friedrich lehnte sich ganz zum Fenster hinaus,
aber er konnte nichts unterscheiden. Erwin sprach
nun auch nicht mehr und die ganze Gegend war
todtenstill. Ein Schauer überlief ihn dabey. Sollte
diese Erscheinung, dachte er, Zusammenhang haben
mit Leontins Begebenheiten? Weiß vielleicht dieser
Knabe um seine Geheimnisse? Ihm fiel dabey ein,
daß sich sein ganzes Gesicht lebheft verändert hat¬
te, als Faber heute noch einmal Leontins gestrigen
unbekannten Begegnisses erwähnte. Beynahe hätte
er alles für einen überwachten Traum gehalten, so
seltsam kam es ihm vor, und er schlief endlich mit
sonderbaren und abentheuerlichen Gedanken ein.


Fünftes Kapitel.

Als draußen Berg und Thal wieder licht wa¬
ren, war der ganze bunte Trupp schon eine Stunde
weit von Leontins Schlosse entfernt. Der sonder¬
bare Zug gewährte einen lustigen Anblick. Leontin
ritt ein unbändiges Pferd allen voraus. Er war
leicht und nachlässig angezogen, und seine ganze
Gestalt hatte etwas Ausländisches. Friedrich sah
durchaus deutsch aus. Faber dagegen machte den
allerseltsamsten und abentheuerlichsten Aufzug. Er

Schritte immer höher und länger, bis er ſich end¬
lich in Rieſengröße in den Wald hinein verlohr.
Friedrich lehnte ſich ganz zum Fenſter hinaus,
aber er konnte nichts unterſcheiden. Erwin ſprach
nun auch nicht mehr und die ganze Gegend war
todtenſtill. Ein Schauer überlief ihn dabey. Sollte
dieſe Erſcheinung, dachte er, Zuſammenhang haben
mit Leontins Begebenheiten? Weiß vielleicht dieſer
Knabe um ſeine Geheimniſſe? Ihm fiel dabey ein,
daß ſich ſein ganzes Geſicht lebheft verändert hat¬
te, als Faber heute noch einmal Leontins geſtrigen
unbekannten Begegniſſes erwähnte. Beynahe hätte
er alles für einen überwachten Traum gehalten, ſo
ſeltſam kam es ihm vor, und er ſchlief endlich mit
ſonderbaren und abentheuerlichen Gedanken ein.


Fuͤnftes Kapitel.

Als draußen Berg und Thal wieder licht wa¬
ren, war der ganze bunte Trupp ſchon eine Stunde
weit von Leontins Schloſſe entfernt. Der ſonder¬
bare Zug gewährte einen luſtigen Anblick. Leontin
ritt ein unbändiges Pferd allen voraus. Er war
leicht und nachläſſig angezogen, und ſeine ganze
Geſtalt hatte etwas Ausländiſches. Friedrich ſah
durchaus deutſch aus. Faber dagegen machte den
allerſeltſamſten und abentheuerlichſten Aufzug. Er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0062" n="56"/>
Schritte immer höher und länger, bis er &#x017F;ich end¬<lb/>
lich in Rie&#x017F;engröße in den Wald hinein verlohr.<lb/><hi rendition="#g">Friedrich</hi> lehnte &#x017F;ich ganz zum Fen&#x017F;ter hinaus,<lb/>
aber er konnte nichts unter&#x017F;cheiden. Erwin &#x017F;prach<lb/>
nun auch nicht mehr und die ganze Gegend war<lb/>
todten&#x017F;till. Ein Schauer überlief ihn dabey. Sollte<lb/>
die&#x017F;e Er&#x017F;cheinung, dachte er, Zu&#x017F;ammenhang haben<lb/>
mit Leontins Begebenheiten? Weiß vielleicht die&#x017F;er<lb/>
Knabe um &#x017F;eine Geheimni&#x017F;&#x017F;e? Ihm fiel dabey ein,<lb/>
daß &#x017F;ich &#x017F;ein ganzes Ge&#x017F;icht lebheft verändert hat¬<lb/>
te, als Faber heute noch einmal Leontins ge&#x017F;trigen<lb/>
unbekannten Begegni&#x017F;&#x017F;es erwähnte. Beynahe hätte<lb/>
er alles für einen überwachten Traum gehalten, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;elt&#x017F;am kam es ihm vor, und er &#x017F;chlief endlich mit<lb/>
&#x017F;onderbaren und abentheuerlichen Gedanken ein.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Kapitel</hi>.<lb/></head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Als draußen Berg und Thal wieder licht wa¬<lb/>
ren, war der ganze bunte Trupp &#x017F;chon eine Stunde<lb/>
weit von Leontins Schlo&#x017F;&#x017F;e entfernt. Der &#x017F;onder¬<lb/>
bare Zug gewährte einen lu&#x017F;tigen Anblick. Leontin<lb/>
ritt ein unbändiges Pferd allen voraus. Er war<lb/>
leicht und nachlä&#x017F;&#x017F;ig angezogen, und &#x017F;eine ganze<lb/>
Ge&#x017F;talt hatte etwas Ausländi&#x017F;ches. <hi rendition="#g">Friedrich</hi> &#x017F;ah<lb/>
durchaus deut&#x017F;ch aus. Faber dagegen machte den<lb/>
aller&#x017F;elt&#x017F;am&#x017F;ten und abentheuerlich&#x017F;ten Aufzug. Er<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0062] Schritte immer höher und länger, bis er ſich end¬ lich in Rieſengröße in den Wald hinein verlohr. Friedrich lehnte ſich ganz zum Fenſter hinaus, aber er konnte nichts unterſcheiden. Erwin ſprach nun auch nicht mehr und die ganze Gegend war todtenſtill. Ein Schauer überlief ihn dabey. Sollte dieſe Erſcheinung, dachte er, Zuſammenhang haben mit Leontins Begebenheiten? Weiß vielleicht dieſer Knabe um ſeine Geheimniſſe? Ihm fiel dabey ein, daß ſich ſein ganzes Geſicht lebheft verändert hat¬ te, als Faber heute noch einmal Leontins geſtrigen unbekannten Begegniſſes erwähnte. Beynahe hätte er alles für einen überwachten Traum gehalten, ſo ſeltſam kam es ihm vor, und er ſchlief endlich mit ſonderbaren und abentheuerlichen Gedanken ein. Fuͤnftes Kapitel. Als draußen Berg und Thal wieder licht wa¬ ren, war der ganze bunte Trupp ſchon eine Stunde weit von Leontins Schloſſe entfernt. Der ſonder¬ bare Zug gewährte einen luſtigen Anblick. Leontin ritt ein unbändiges Pferd allen voraus. Er war leicht und nachläſſig angezogen, und ſeine ganze Geſtalt hatte etwas Ausländiſches. Friedrich ſah durchaus deutſch aus. Faber dagegen machte den allerſeltſamſten und abentheuerlichſten Aufzug. Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/62
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/62>, abgerufen am 28.11.2024.