Begehren die Leiter an, die vor dem Hause auf der Erde lag, und erlösten ihn so von seinem luf¬ tigen Throne. Er aber forderte, sobald er unten war, ohne sich weiter in Erklärungen einzulassen, sogleich sein Pferd und seinen Mantelsack heraus. Da er sehr heftig und wunderlich zu seyn schien, thaten sie, was er verlangte. Als er sein Pferd bestiegen hatte, sagte er nur noch zu ihnen: sie möchten ihren Herrn, den fremden Grafen und die Gräfin Rosa von ihm auf das beste grüßen, und für die langerwiesene Freundschaft in seinem Nahmen danken; er für seinen Theil reise in die Residenz, wo er sie früher oder später wiederzuse¬ hen hoffe. Darauf habe er dem Pferde die Sporen gegeben und sey in den Wald hineingeritten.
Lebe wohl, guter, unruhiger Freund! rief Leontin bey dieser Nachricht aus, ich könnte wahr¬ haftig in diesem Augenblick recht aus Herzensgrun¬ de traurig seyn, so gewohnt war ich an dein wun¬ derliches Wesen. Fahre wohl, und Gott gebe, daß wir bald wieder zusammenkommen! Amen, fiel Rosa ein; aber was in aller Welt hat ihn denn auf das Dach hinaufgetrieben und bewogen, uns dann so plötzlich zu verlassen? -- Niemand wußte sich das Räthsel zu lösen. Aber die kleine Marie hörte während der ganzen Zeit nicht auf, geheim¬ nißvoll zu kikkern, Friedrich erinnerte sich auch an das gestrige, sonderbare Nachtlied vor dem Fenster, und nun übersahen sie nach und nach den ganzen Zusammenhang.
Begehren die Leiter an, die vor dem Hauſe auf der Erde lag, und erlöſten ihn ſo von ſeinem luf¬ tigen Throne. Er aber forderte, ſobald er unten war, ohne ſich weiter in Erklärungen einzulaſſen, ſogleich ſein Pferd und ſeinen Mantelſack heraus. Da er ſehr heftig und wunderlich zu ſeyn ſchien, thaten ſie, was er verlangte. Als er ſein Pferd beſtiegen hatte, ſagte er nur noch zu ihnen: ſie möchten ihren Herrn, den fremden Grafen und die Gräfin Roſa von ihm auf das beſte grüßen, und für die langerwieſene Freundſchaft in ſeinem Nahmen danken; er für ſeinen Theil reiſe in die Reſidenz, wo er ſie früher oder ſpäter wiederzuſe¬ hen hoffe. Darauf habe er dem Pferde die Sporen gegeben und ſey in den Wald hineingeritten.
Lebe wohl, guter, unruhiger Freund! rief Leontin bey dieſer Nachricht aus, ich könnte wahr¬ haftig in dieſem Augenblick recht aus Herzensgrun¬ de traurig ſeyn, ſo gewohnt war ich an dein wun¬ derliches Weſen. Fahre wohl, und Gott gebe, daß wir bald wieder zuſammenkommen! Amen, fiel Roſa ein; aber was in aller Welt hat ihn denn auf das Dach hinaufgetrieben und bewogen, uns dann ſo plötzlich zu verlaſſen? — Niemand wußte ſich das Räthſel zu löſen. Aber die kleine Marie hörte während der ganzen Zeit nicht auf, geheim¬ nißvoll zu kikkern, Friedrich erinnerte ſich auch an das geſtrige, ſonderbare Nachtlied vor dem Fenſter, und nun überſahen ſie nach und nach den ganzen Zuſammenhang.
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[88/0094]
Begehren die Leiter an, die vor dem Hauſe auf
der Erde lag, und erlöſten ihn ſo von ſeinem luf¬
tigen Throne. Er aber forderte, ſobald er unten
war, ohne ſich weiter in Erklärungen einzulaſſen,
ſogleich ſein Pferd und ſeinen Mantelſack heraus.
Da er ſehr heftig und wunderlich zu ſeyn ſchien,
thaten ſie, was er verlangte. Als er ſein Pferd
beſtiegen hatte, ſagte er nur noch zu ihnen: ſie
möchten ihren Herrn, den fremden Grafen und
die Gräfin Roſa von ihm auf das beſte grüßen,
und für die langerwieſene Freundſchaft in ſeinem
Nahmen danken; er für ſeinen Theil reiſe in die
Reſidenz, wo er ſie früher oder ſpäter wiederzuſe¬
hen hoffe. Darauf habe er dem Pferde die Sporen
gegeben und ſey in den Wald hineingeritten.
Lebe wohl, guter, unruhiger Freund! rief
Leontin bey dieſer Nachricht aus, ich könnte wahr¬
haftig in dieſem Augenblick recht aus Herzensgrun¬
de traurig ſeyn, ſo gewohnt war ich an dein wun¬
derliches Weſen. Fahre wohl, und Gott gebe, daß
wir bald wieder zuſammenkommen! Amen, fiel
Roſa ein; aber was in aller Welt hat ihn denn
auf das Dach hinaufgetrieben und bewogen, uns
dann ſo plötzlich zu verlaſſen? — Niemand wußte
ſich das Räthſel zu löſen. Aber die kleine Marie
hörte während der ganzen Zeit nicht auf, geheim¬
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das geſtrige, ſonderbare Nachtlied vor dem Fenſter,
und nun überſahen ſie nach und nach den ganzen
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/94>, abgerufen am 18.10.2024.
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