empörte mich. Ich konnte mich den Anmuthungen des Aberglaubens, auch nur zum Scheine, nicht gefällig erweisen, und hatte beständig Verdruß. Dazu kam, daß das Geschick meines deutschen Vaterlandes, wo eine neue große Zeit sich ausgebährt, heimlich an mei¬ nem Herzen fraß, ich hatte nirgends Ruhe. Meine Kameraden gefielen sich dort bald höchlichst -- ich aber ermannte mich zur rechten Zeit und flüchtete vor den gleißenden Schlingen doppelter Knechtschaft nach dem ernsten, heimathlichen Norden. --
Norden?! -- rief Fortunat erschrocken über dieses plötzlich wiederkehrende Lieblingsthema des Malers aus, und griff hastig nach seinem Hute. Albert, welcher dieß für eine Aufwallung übereinstimmender Empfin¬ dung halten mochte, drückte ihm stumm die Hand, aber mit so seltsamer Kreuzung der Finger, daß es Fortunat sogleich für das heimliche Zeichen irgend eines ihm fremden Bundes erkannte. Fortunat besann sich nicht lange, sondern erwiederte den Druck, zu Alberts Verwunderung, mit noch abenteuerlicheren Handgriffen und stürzte dann in's Freie hinaus.
Verdammte Wirthschaft! rief er draußen, durch den Baumgang eilend, überall vertreten einem solche lange Gesichter das Morgenlicht! Lassen sich da von irgend einem kritischen Kleinmeister eine angeräucherte Brille aufheften, womit sie dann in alle Welt gehen, die Völker zu richten. So zieht das Geschmeiß, wie
7
empoͤrte mich. Ich konnte mich den Anmuthungen des Aberglaubens, auch nur zum Scheine, nicht gefaͤllig erweiſen, und hatte beſtaͤndig Verdruß. Dazu kam, daß das Geſchick meines deutſchen Vaterlandes, wo eine neue große Zeit ſich ausgebaͤhrt, heimlich an mei¬ nem Herzen fraß, ich hatte nirgends Ruhe. Meine Kameraden gefielen ſich dort bald hoͤchlichſt — ich aber ermannte mich zur rechten Zeit und fluͤchtete vor den gleißenden Schlingen doppelter Knechtſchaft nach dem ernſten, heimathlichen Norden. —
Norden?! — rief Fortunat erſchrocken uͤber dieſes ploͤtzlich wiederkehrende Lieblingsthema des Malers aus, und griff haſtig nach ſeinem Hute. Albert, welcher dieß fuͤr eine Aufwallung uͤbereinſtimmender Empfin¬ dung halten mochte, druͤckte ihm ſtumm die Hand, aber mit ſo ſeltſamer Kreuzung der Finger, daß es Fortunat ſogleich fuͤr das heimliche Zeichen irgend eines ihm fremden Bundes erkannte. Fortunat beſann ſich nicht lange, ſondern erwiederte den Druck, zu Alberts Verwunderung, mit noch abenteuerlicheren Handgriffen und ſtuͤrzte dann in's Freie hinaus.
Verdammte Wirthſchaft! rief er draußen, durch den Baumgang eilend, uͤberall vertreten einem ſolche lange Geſichter das Morgenlicht! Laſſen ſich da von irgend einem kritiſchen Kleinmeiſter eine angeraͤucherte Brille aufheften, womit ſie dann in alle Welt gehen, die Voͤlker zu richten. So zieht das Geſchmeiß, wie
7
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0104"n="97"/>
empoͤrte mich. Ich konnte mich den Anmuthungen des<lb/>
Aberglaubens, auch nur zum Scheine, nicht gefaͤllig<lb/>
erweiſen, und hatte beſtaͤndig Verdruß. Dazu kam,<lb/>
daß das Geſchick meines deutſchen Vaterlandes, wo<lb/>
eine neue große Zeit ſich ausgebaͤhrt, heimlich an mei¬<lb/>
nem Herzen fraß, ich hatte nirgends Ruhe. Meine<lb/>
Kameraden gefielen ſich dort bald hoͤchlichſt — ich aber<lb/>
ermannte mich zur rechten Zeit und fluͤchtete vor den<lb/>
gleißenden Schlingen doppelter Knechtſchaft nach dem<lb/>
ernſten, heimathlichen Norden. —</p><lb/><p>Norden?! — rief Fortunat erſchrocken uͤber dieſes<lb/>
ploͤtzlich wiederkehrende Lieblingsthema des Malers aus,<lb/>
und griff haſtig nach ſeinem Hute. Albert, welcher<lb/>
dieß fuͤr eine Aufwallung uͤbereinſtimmender Empfin¬<lb/>
dung halten mochte, druͤckte ihm ſtumm die Hand,<lb/>
aber mit ſo ſeltſamer Kreuzung der Finger, daß es<lb/>
Fortunat ſogleich fuͤr das heimliche Zeichen irgend eines<lb/>
ihm fremden Bundes erkannte. Fortunat beſann ſich<lb/>
nicht lange, ſondern erwiederte den Druck, zu Alberts<lb/>
Verwunderung, mit noch abenteuerlicheren Handgriffen<lb/>
und ſtuͤrzte dann in's Freie hinaus.</p><lb/><p>Verdammte Wirthſchaft! rief er draußen, durch<lb/>
den Baumgang eilend, uͤberall vertreten einem ſolche<lb/>
lange Geſichter das Morgenlicht! Laſſen ſich da von<lb/>
irgend einem kritiſchen Kleinmeiſter eine angeraͤucherte<lb/>
Brille aufheften, womit ſie dann in alle Welt gehen,<lb/>
die Voͤlker zu richten. So zieht das Geſchmeiß, wie<lb/><fwplace="bottom"type="sig">7<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[97/0104]
empoͤrte mich. Ich konnte mich den Anmuthungen des
Aberglaubens, auch nur zum Scheine, nicht gefaͤllig
erweiſen, und hatte beſtaͤndig Verdruß. Dazu kam,
daß das Geſchick meines deutſchen Vaterlandes, wo
eine neue große Zeit ſich ausgebaͤhrt, heimlich an mei¬
nem Herzen fraß, ich hatte nirgends Ruhe. Meine
Kameraden gefielen ſich dort bald hoͤchlichſt — ich aber
ermannte mich zur rechten Zeit und fluͤchtete vor den
gleißenden Schlingen doppelter Knechtſchaft nach dem
ernſten, heimathlichen Norden. —
Norden?! — rief Fortunat erſchrocken uͤber dieſes
ploͤtzlich wiederkehrende Lieblingsthema des Malers aus,
und griff haſtig nach ſeinem Hute. Albert, welcher
dieß fuͤr eine Aufwallung uͤbereinſtimmender Empfin¬
dung halten mochte, druͤckte ihm ſtumm die Hand,
aber mit ſo ſeltſamer Kreuzung der Finger, daß es
Fortunat ſogleich fuͤr das heimliche Zeichen irgend eines
ihm fremden Bundes erkannte. Fortunat beſann ſich
nicht lange, ſondern erwiederte den Druck, zu Alberts
Verwunderung, mit noch abenteuerlicheren Handgriffen
und ſtuͤrzte dann in's Freie hinaus.
Verdammte Wirthſchaft! rief er draußen, durch
den Baumgang eilend, uͤberall vertreten einem ſolche
lange Geſichter das Morgenlicht! Laſſen ſich da von
irgend einem kritiſchen Kleinmeiſter eine angeraͤucherte
Brille aufheften, womit ſie dann in alle Welt gehen,
die Voͤlker zu richten. So zieht das Geſchmeiß, wie
7
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/104>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.