warf, in die duftige Thal-Ferne gleich wie in sein künftiges noch ungewisses Leben hinausgeschaut. --
Mein Gott, rief er endlich, da in dem Städtchen unten muß ja Walter wohnen, mein treuer Heidel¬ berger Kamerad, mit dem ich manchen stillen fröhlichen Abend auf den Bergen verlebt! Was muß der wackere Gesell nicht alles schon wissen, wenn er fortfuhr, so fleißig zu sein, wie damals! -- Er gab ungeduldig seinem Pferde die Sporen, und hatte bald das dunkle Thor der Stadt erreicht. Walters Wohnung war in dem kleinen Orte leicht erfragt: ein buntes freundliches Häuschen am Markte, mit hohen Linden vor den Fenstern, in denen unzählige Sperlinge beim letzten Adendschimmer einen gewaltigen Lärm machten. Der Reisende sprang eilig die enge, etwas dunkle Treppe hinan, und riß die ihm bezeichnete Thür auf, die Abendsonne, durch das Laub vor den Fenstern zitternd, vergoldete so eben die ganze, stille Stube, Walter saß im Schlafrock am Schreibtische neben großen Acten- Stößen, Tabaksbüchse, Kaffeekanne und eine halbge¬ leerte Tasse vor sich. Er sah den Hereintretenden er¬ staunt und ungewiß an, seine Gipspfeife langsam weg¬ legend. Baron Fortunat! rief er dann, mein lieber Fortunat! und beide Freunde lagen einander in den Armen.
Also so sieht man aus in Amt und Brodt? sagte Fortunat nach der ersten Begrüßung, während er
warf, in die duftige Thal-Ferne gleich wie in ſein kuͤnftiges noch ungewiſſes Leben hinausgeſchaut. —
Mein Gott, rief er endlich, da in dem Staͤdtchen unten muß ja Walter wohnen, mein treuer Heidel¬ berger Kamerad, mit dem ich manchen ſtillen froͤhlichen Abend auf den Bergen verlebt! Was muß der wackere Geſell nicht alles ſchon wiſſen, wenn er fortfuhr, ſo fleißig zu ſein, wie damals! — Er gab ungeduldig ſeinem Pferde die Sporen, und hatte bald das dunkle Thor der Stadt erreicht. Walters Wohnung war in dem kleinen Orte leicht erfragt: ein buntes freundliches Haͤuschen am Markte, mit hohen Linden vor den Fenſtern, in denen unzaͤhlige Sperlinge beim letzten Adendſchimmer einen gewaltigen Laͤrm machten. Der Reiſende ſprang eilig die enge, etwas dunkle Treppe hinan, und riß die ihm bezeichnete Thuͤr auf, die Abendſonne, durch das Laub vor den Fenſtern zitternd, vergoldete ſo eben die ganze, ſtille Stube, Walter ſaß im Schlafrock am Schreibtiſche neben großen Acten- Stoͤßen, Tabaksbuͤchſe, Kaffeekanne und eine halbge¬ leerte Taſſe vor ſich. Er ſah den Hereintretenden er¬ ſtaunt und ungewiß an, ſeine Gipspfeife langſam weg¬ legend. Baron Fortunat! rief er dann, mein lieber Fortunat! und beide Freunde lagen einander in den Armen.
Alſo ſo ſieht man aus in Amt und Brodt? ſagte Fortunat nach der erſten Begruͤßung, waͤhrend er
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0011"n="4"/>
warf, in die duftige Thal-Ferne gleich wie in ſein<lb/>
kuͤnftiges noch ungewiſſes Leben hinausgeſchaut. —</p><lb/><p>Mein Gott, rief er endlich, da in dem Staͤdtchen<lb/>
unten muß ja <hirendition="#g">Walter</hi> wohnen, mein treuer Heidel¬<lb/>
berger Kamerad, mit dem ich manchen ſtillen froͤhlichen<lb/>
Abend auf den Bergen verlebt! Was muß der wackere<lb/>
Geſell nicht alles ſchon wiſſen, wenn er fortfuhr, ſo<lb/>
fleißig zu ſein, wie damals! — Er gab ungeduldig<lb/>ſeinem Pferde die Sporen, und hatte bald das dunkle<lb/>
Thor der Stadt erreicht. Walters Wohnung war in<lb/>
dem kleinen Orte leicht erfragt: ein buntes freundliches<lb/>
Haͤuschen am Markte, mit hohen Linden vor den<lb/>
Fenſtern, in denen unzaͤhlige Sperlinge beim letzten<lb/>
Adendſchimmer einen gewaltigen Laͤrm machten. Der<lb/>
Reiſende ſprang eilig die enge, etwas dunkle Treppe<lb/>
hinan, und riß die ihm bezeichnete Thuͤr auf, die<lb/>
Abendſonne, durch das Laub vor den Fenſtern zitternd,<lb/>
vergoldete ſo eben die ganze, ſtille Stube, Walter ſaß<lb/>
im Schlafrock am Schreibtiſche neben großen Acten-<lb/>
Stoͤßen, Tabaksbuͤchſe, Kaffeekanne und eine halbge¬<lb/>
leerte Taſſe vor ſich. Er ſah den Hereintretenden er¬<lb/>ſtaunt und ungewiß an, ſeine Gipspfeife langſam weg¬<lb/>
legend. Baron <hirendition="#g">Fortunat</hi>! rief er dann, mein lieber<lb/><hirendition="#g">Fortunat</hi>! und beide Freunde lagen einander in den<lb/>
Armen.</p><lb/><p>Alſo ſo ſieht man aus in Amt und Brodt? ſagte<lb/>
Fortunat nach der erſten Begruͤßung, waͤhrend er<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[4/0011]
warf, in die duftige Thal-Ferne gleich wie in ſein
kuͤnftiges noch ungewiſſes Leben hinausgeſchaut. —
Mein Gott, rief er endlich, da in dem Staͤdtchen
unten muß ja Walter wohnen, mein treuer Heidel¬
berger Kamerad, mit dem ich manchen ſtillen froͤhlichen
Abend auf den Bergen verlebt! Was muß der wackere
Geſell nicht alles ſchon wiſſen, wenn er fortfuhr, ſo
fleißig zu ſein, wie damals! — Er gab ungeduldig
ſeinem Pferde die Sporen, und hatte bald das dunkle
Thor der Stadt erreicht. Walters Wohnung war in
dem kleinen Orte leicht erfragt: ein buntes freundliches
Haͤuschen am Markte, mit hohen Linden vor den
Fenſtern, in denen unzaͤhlige Sperlinge beim letzten
Adendſchimmer einen gewaltigen Laͤrm machten. Der
Reiſende ſprang eilig die enge, etwas dunkle Treppe
hinan, und riß die ihm bezeichnete Thuͤr auf, die
Abendſonne, durch das Laub vor den Fenſtern zitternd,
vergoldete ſo eben die ganze, ſtille Stube, Walter ſaß
im Schlafrock am Schreibtiſche neben großen Acten-
Stoͤßen, Tabaksbuͤchſe, Kaffeekanne und eine halbge¬
leerte Taſſe vor ſich. Er ſah den Hereintretenden er¬
ſtaunt und ungewiß an, ſeine Gipspfeife langſam weg¬
legend. Baron Fortunat! rief er dann, mein lieber
Fortunat! und beide Freunde lagen einander in den
Armen.
Alſo ſo ſieht man aus in Amt und Brodt? ſagte
Fortunat nach der erſten Begruͤßung, waͤhrend er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/11>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.