stehen und funkelte ihn neugierig mit den Augen von oben bis unten an. Wußt' ich's doch, sagte sie dann, daß es so kommen wird. -- Es war Kordelchen. Si¬ lentium! hörte man nun auf einmal die abenteuerliche Gestalt durch das Getümmel rufen, die unterdeß auf ihrem Esel herangekommen war. Ei, mein schöner, weißer, junger Gesell, redete sie Otto'n an, was machst du hier? wo kommst du so allein daher? -- Der Esel, der unterwegs ein Maul voll Gras genommen, sah die Gesellschaft, seine lange Ohren schüttelnd, ruhig an, und hieb mit dem einen Hinterfuß nach den Ko¬ mödianten, die ihn heimlich zwickten. Otto aber, von der allgemeinen Lust mit angesteckt, antwortete: meine großmächtige Frau Libuschka, ich komme von Haus und bin Willens, in der Welt ein mehreres zu studi¬ ren, oder einen Dienst zu bekommen, denn ich bin ein armer Schüler. -- Daß dich Gott behüte, mein Kind! versetzte die alte Zigeunerin -- aber zum Teufel! laßt die Faxen, ich falle wahrhaftig herunter! rief sie da¬ zwischen den Schauspielern plötzlich mit grober Stimme zu, an der Fortunat sogleich Herrn Ruprecht erkannte. Dieser aber ließ sich dadurch nicht irre machen. Wann du Lust hast, bei uns zu bleiben, fuhr er fort, so ist der Sache bald abgeholfen. -- Ich will noch ein Paar Tage mit mir selbst zu Rath gehen, erwiederte Otto, des Studirens und Tag und Nacht über den Büchern zu hocken, bin ich schon vorlängst müd worden. --
ſtehen und funkelte ihn neugierig mit den Augen von oben bis unten an. Wußt' ich's doch, ſagte ſie dann, daß es ſo kommen wird. — Es war Kordelchen. Si¬ lentium! hoͤrte man nun auf einmal die abenteuerliche Geſtalt durch das Getuͤmmel rufen, die unterdeß auf ihrem Eſel herangekommen war. Ei, mein ſchoͤner, weißer, junger Geſell, redete ſie Otto'n an, was machſt du hier? wo kommſt du ſo allein daher? — Der Eſel, der unterwegs ein Maul voll Gras genommen, ſah die Geſellſchaft, ſeine lange Ohren ſchuͤttelnd, ruhig an, und hieb mit dem einen Hinterfuß nach den Ko¬ moͤdianten, die ihn heimlich zwickten. Otto aber, von der allgemeinen Luſt mit angeſteckt, antwortete: meine großmaͤchtige Frau Libuſchka, ich komme von Haus und bin Willens, in der Welt ein mehreres zu ſtudi¬ ren, oder einen Dienſt zu bekommen, denn ich bin ein armer Schuͤler. — Daß dich Gott behuͤte, mein Kind! verſetzte die alte Zigeunerin — aber zum Teufel! laßt die Faxen, ich falle wahrhaftig herunter! rief ſie da¬ zwiſchen den Schauſpielern ploͤtzlich mit grober Stimme zu, an der Fortunat ſogleich Herrn Ruprecht erkannte. Dieſer aber ließ ſich dadurch nicht irre machen. Wann du Luſt haſt, bei uns zu bleiben, fuhr er fort, ſo iſt der Sache bald abgeholfen. — Ich will noch ein Paar Tage mit mir ſelbſt zu Rath gehen, erwiederte Otto, des Studirens und Tag und Nacht uͤber den Buͤchern zu hocken, bin ich ſchon vorlaͤngſt muͤd worden. —
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ſtehen und funkelte ihn neugierig mit den Augen von
oben bis unten an. Wußt' ich's doch, ſagte ſie dann,
daß es ſo kommen wird. — Es war Kordelchen. Si¬
lentium! hoͤrte man nun auf einmal die abenteuerliche
Geſtalt durch das Getuͤmmel rufen, die unterdeß auf
ihrem Eſel herangekommen war. Ei, mein ſchoͤner,
weißer, junger Geſell, redete ſie Otto'n an, was machſt
du hier? wo kommſt du ſo allein daher? — Der Eſel,
der unterwegs ein Maul voll Gras genommen, ſah
die Geſellſchaft, ſeine lange Ohren ſchuͤttelnd, ruhig
an, und hieb mit dem einen Hinterfuß nach den Ko¬
moͤdianten, die ihn heimlich zwickten. Otto aber, von
der allgemeinen Luſt mit angeſteckt, antwortete: meine
großmaͤchtige Frau Libuſchka, ich komme von Haus
und bin Willens, in der Welt ein mehreres zu ſtudi¬
ren, oder einen Dienſt zu bekommen, denn ich bin ein
armer Schuͤler. — Daß dich Gott behuͤte, mein Kind!
verſetzte die alte Zigeunerin — aber zum Teufel! laßt
die Faxen, ich falle wahrhaftig herunter! rief ſie da¬
zwiſchen den Schauſpielern ploͤtzlich mit grober Stimme
zu, an der Fortunat ſogleich Herrn Ruprecht erkannte.
Dieſer aber ließ ſich dadurch nicht irre machen. Wann
du Luſt haſt, bei uns zu bleiben, fuhr er fort, ſo iſt
der Sache bald abgeholfen. — Ich will noch ein Paar
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/114>, abgerufen am 21.11.2024.
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