Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

den Bäumen bunte Zelte aufgeschlagen, so lagen sie
an lustigen Feuern umher, und zu Fortunats Ver¬
wunderung kam es nun nach und nach heraus, daß
sie Otto'n als ein neues Mitglied ihrer Truppe heute
hier erwartet hatten. Unter ihnen erwies sich Guido
besonders geschäftig, der junge hübsche Maler aus der
Kapelle, der in seiner sorgfältigen Zigeunertracht sich
selbst sehr hübsch zu finden schien und, von Zeit zu
Zeit Kordelchen feurige Blicke zuwerfend, wohlgefällig
sein Schnurrbärtchen strich. Er hatte brennende Pech¬
kessel besorgt, und war eifrig bemüht, die phantasti¬
schen Gestalten malerisch um die Flammen zu gruppi¬
ren und überall die rechten Lichteffecte anzubringen.
Er mußte indeß gar bald alles gehen lassen, es war
schlechterdings keine Ordnung und kein künstlerisches
Motiv hineinzubringen. Ueber dem dunkelen Berge
aber trat plötzlich der Mond aus einer Wolke und
beschien die stillen Wälder und Gründe; da war auf
einmal alles in der rechten, wunderbaren Beleuchtung:
das öde Haus, der altmodische, halbverfallene Gar¬
ten, die wildverwachsenen Statüen und die abenteuer¬
lichen Gestalten, die auf den Bassins der vertrockneten
Wasserkünste umhersaßen, wie eine Soldaten-Nacht
im dreißigjährigen Kriege. -- Preciöschen! rief Fortu¬
nat Kordelchen zu, bellt von fern ein Hund, liegt ein
Dorf im Grund, schläft Bauer und Vieh, giebt was
zu schnappen hie! -- Kordelchen antwortete munter:

den Baͤumen bunte Zelte aufgeſchlagen, ſo lagen ſie
an luſtigen Feuern umher, und zu Fortunats Ver¬
wunderung kam es nun nach und nach heraus, daß
ſie Otto'n als ein neues Mitglied ihrer Truppe heute
hier erwartet hatten. Unter ihnen erwies ſich Guido
beſonders geſchaͤftig, der junge huͤbſche Maler aus der
Kapelle, der in ſeiner ſorgfaͤltigen Zigeunertracht ſich
ſelbſt ſehr huͤbſch zu finden ſchien und, von Zeit zu
Zeit Kordelchen feurige Blicke zuwerfend, wohlgefaͤllig
ſein Schnurrbaͤrtchen ſtrich. Er hatte brennende Pech¬
keſſel beſorgt, und war eifrig bemuͤht, die phantaſti¬
ſchen Geſtalten maleriſch um die Flammen zu gruppi¬
ren und uͤberall die rechten Lichteffecte anzubringen.
Er mußte indeß gar bald alles gehen laſſen, es war
ſchlechterdings keine Ordnung und kein kuͤnſtleriſches
Motiv hineinzubringen. Ueber dem dunkelen Berge
aber trat ploͤtzlich der Mond aus einer Wolke und
beſchien die ſtillen Waͤlder und Gruͤnde; da war auf
einmal alles in der rechten, wunderbaren Beleuchtung:
das oͤde Haus, der altmodiſche, halbverfallene Gar¬
ten, die wildverwachſenen Statuͤen und die abenteuer¬
lichen Geſtalten, die auf den Baſſins der vertrockneten
Waſſerkuͤnſte umherſaßen, wie eine Soldaten-Nacht
im dreißigjaͤhrigen Kriege. — Precioͤschen! rief Fortu¬
nat Kordelchen zu, bellt von fern ein Hund, liegt ein
Dorf im Grund, ſchlaͤft Bauer und Vieh, giebt was
zu ſchnappen hie! — Kordelchen antwortete munter:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0116" n="109"/>
den Ba&#x0364;umen bunte Zelte aufge&#x017F;chlagen, &#x017F;o lagen &#x017F;ie<lb/>
an lu&#x017F;tigen Feuern umher, und zu Fortunats Ver¬<lb/>
wunderung kam es nun nach und nach heraus, daß<lb/>
&#x017F;ie Otto'n als ein neues Mitglied ihrer Truppe heute<lb/>
hier erwartet hatten. Unter ihnen erwies &#x017F;ich <hi rendition="#g">Guido</hi><lb/>
be&#x017F;onders ge&#x017F;cha&#x0364;ftig, der junge hu&#x0364;b&#x017F;che Maler aus der<lb/>
Kapelle, der in &#x017F;einer &#x017F;orgfa&#x0364;ltigen Zigeunertracht &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ehr hu&#x0364;b&#x017F;ch zu finden &#x017F;chien und, von Zeit zu<lb/>
Zeit Kordelchen feurige Blicke zuwerfend, wohlgefa&#x0364;llig<lb/>
&#x017F;ein Schnurrba&#x0364;rtchen &#x017F;trich. Er hatte brennende Pech¬<lb/>
ke&#x017F;&#x017F;el be&#x017F;orgt, und war eifrig bemu&#x0364;ht, die phanta&#x017F;ti¬<lb/>
&#x017F;chen Ge&#x017F;talten maleri&#x017F;ch um die Flammen zu gruppi¬<lb/>
ren und u&#x0364;berall die rechten Lichteffecte anzubringen.<lb/>
Er mußte indeß gar bald alles gehen la&#x017F;&#x017F;en, es war<lb/>
&#x017F;chlechterdings keine Ordnung und kein ku&#x0364;n&#x017F;tleri&#x017F;ches<lb/>
Motiv hineinzubringen. Ueber dem dunkelen Berge<lb/>
aber trat plo&#x0364;tzlich der Mond aus einer Wolke und<lb/>
be&#x017F;chien die &#x017F;tillen Wa&#x0364;lder und Gru&#x0364;nde; da war auf<lb/>
einmal alles in der rechten, wunderbaren Beleuchtung:<lb/>
das o&#x0364;de Haus, der altmodi&#x017F;che, halbverfallene Gar¬<lb/>
ten, die wildverwach&#x017F;enen Statu&#x0364;en und die abenteuer¬<lb/>
lichen Ge&#x017F;talten, die auf den Ba&#x017F;&#x017F;ins der vertrockneten<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;erku&#x0364;n&#x017F;te umher&#x017F;aßen, wie eine Soldaten-Nacht<lb/>
im dreißigja&#x0364;hrigen Kriege. &#x2014; Precio&#x0364;schen! rief Fortu¬<lb/>
nat Kordelchen zu, bellt von fern ein Hund, liegt ein<lb/>
Dorf im Grund, &#x017F;chla&#x0364;ft Bauer und Vieh, giebt was<lb/>
zu &#x017F;chnappen hie! &#x2014; Kordelchen antwortete munter:<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0116] den Baͤumen bunte Zelte aufgeſchlagen, ſo lagen ſie an luſtigen Feuern umher, und zu Fortunats Ver¬ wunderung kam es nun nach und nach heraus, daß ſie Otto'n als ein neues Mitglied ihrer Truppe heute hier erwartet hatten. Unter ihnen erwies ſich Guido beſonders geſchaͤftig, der junge huͤbſche Maler aus der Kapelle, der in ſeiner ſorgfaͤltigen Zigeunertracht ſich ſelbſt ſehr huͤbſch zu finden ſchien und, von Zeit zu Zeit Kordelchen feurige Blicke zuwerfend, wohlgefaͤllig ſein Schnurrbaͤrtchen ſtrich. Er hatte brennende Pech¬ keſſel beſorgt, und war eifrig bemuͤht, die phantaſti¬ ſchen Geſtalten maleriſch um die Flammen zu gruppi¬ ren und uͤberall die rechten Lichteffecte anzubringen. Er mußte indeß gar bald alles gehen laſſen, es war ſchlechterdings keine Ordnung und kein kuͤnſtleriſches Motiv hineinzubringen. Ueber dem dunkelen Berge aber trat ploͤtzlich der Mond aus einer Wolke und beſchien die ſtillen Waͤlder und Gruͤnde; da war auf einmal alles in der rechten, wunderbaren Beleuchtung: das oͤde Haus, der altmodiſche, halbverfallene Gar¬ ten, die wildverwachſenen Statuͤen und die abenteuer¬ lichen Geſtalten, die auf den Baſſins der vertrockneten Waſſerkuͤnſte umherſaßen, wie eine Soldaten-Nacht im dreißigjaͤhrigen Kriege. — Precioͤschen! rief Fortu¬ nat Kordelchen zu, bellt von fern ein Hund, liegt ein Dorf im Grund, ſchlaͤft Bauer und Vieh, giebt was zu ſchnappen hie! — Kordelchen antwortete munter:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/116
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/116>, abgerufen am 11.05.2024.