einzuräuchern, denn es sah ganz braun aus, und zahl¬ lose Sperlinge lärmten und nisteten in dem Helm des steinernen Wappenschildes über dem Thor. Aus den alten Wallgräben war früher ein Garten, und aus dem Garten mit der Zeit eine grüne Wildniß von Stachelbeeren und Haselnußsträuchern geworden, in der jetzt einige Ziegen ruhig weideten.
Dort saßen an einem schwülen Nachmittage meh¬ rere Jagdhunde unter einer Weinlaube und unter ihnen der Gutsherr, Baron Eberstein, mit dem jungen Pre¬ diger des Orts schwatzend, der zum Besuch heraufge¬ kommen war, um dem Baron seine neuen Meer¬ schaumköpfe anrauchen zu helfen. Sie freuten sich beide des allmählich aufsteigenden Gewitters, denn die schillernden Thäler unten lechzten nach Regen, es rührte sich kein Lüftchen in der ganzen Gegend, nur die Bie¬ nen summten um die hohen Sonnenblumen vor dem Schlosse. Seitwärts aber sah man bald einen rothen Schuh, bald ein zierliches Füßchen aus dem Laube eines Kirschbaums schimmern, zwischen dem manchmal ein Paar schöne dunkle Augen herausfunkelten. Es war Fräulein Gertrud, des Barons Tochter, die im Wipfel Kirschen naschte und die Kerne muthwillig nach den Hunden schnellte; eigentlich aber hatte sie's auf des Predigers neue, geschniegelte Weste abgesehen.
Der Prediger aber merkte nichts davon, so ver¬ tieft war er in den Discurs. Ja, sagte er, diese
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einzuraͤuchern, denn es ſah ganz braun aus, und zahl¬ loſe Sperlinge laͤrmten und niſteten in dem Helm des ſteinernen Wappenſchildes uͤber dem Thor. Aus den alten Wallgraͤben war fruͤher ein Garten, und aus dem Garten mit der Zeit eine gruͤne Wildniß von Stachelbeeren und Haſelnußſtraͤuchern geworden, in der jetzt einige Ziegen ruhig weideten.
Dort ſaßen an einem ſchwuͤlen Nachmittage meh¬ rere Jagdhunde unter einer Weinlaube und unter ihnen der Gutsherr, Baron Eberſtein, mit dem jungen Pre¬ diger des Orts ſchwatzend, der zum Beſuch heraufge¬ kommen war, um dem Baron ſeine neuen Meer¬ ſchaumkoͤpfe anrauchen zu helfen. Sie freuten ſich beide des allmaͤhlich aufſteigenden Gewitters, denn die ſchillernden Thaͤler unten lechzten nach Regen, es ruͤhrte ſich kein Luͤftchen in der ganzen Gegend, nur die Bie¬ nen ſummten um die hohen Sonnenblumen vor dem Schloſſe. Seitwaͤrts aber ſah man bald einen rothen Schuh, bald ein zierliches Fuͤßchen aus dem Laube eines Kirſchbaums ſchimmern, zwiſchen dem manchmal ein Paar ſchoͤne dunkle Augen herausfunkelten. Es war Fraͤulein Gertrud, des Barons Tochter, die im Wipfel Kirſchen naſchte und die Kerne muthwillig nach den Hunden ſchnellte; eigentlich aber hatte ſie's auf des Predigers neue, geſchniegelte Weſte abgeſehen.
Der Prediger aber merkte nichts davon, ſo ver¬ tieft war er in den Discurs. Ja, ſagte er, dieſe
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einzuraͤuchern, denn es ſah ganz braun aus, und zahl¬
loſe Sperlinge laͤrmten und niſteten in dem Helm des
ſteinernen Wappenſchildes uͤber dem Thor. Aus den
alten Wallgraͤben war fruͤher ein Garten, und aus
dem Garten mit der Zeit eine gruͤne Wildniß von
Stachelbeeren und Haſelnußſtraͤuchern geworden, in
der jetzt einige Ziegen ruhig weideten.
Dort ſaßen an einem ſchwuͤlen Nachmittage meh¬
rere Jagdhunde unter einer Weinlaube und unter ihnen
der Gutsherr, Baron Eberſtein, mit dem jungen Pre¬
diger des Orts ſchwatzend, der zum Beſuch heraufge¬
kommen war, um dem Baron ſeine neuen Meer¬
ſchaumkoͤpfe anrauchen zu helfen. Sie freuten ſich
beide des allmaͤhlich aufſteigenden Gewitters, denn die
ſchillernden Thaͤler unten lechzten nach Regen, es ruͤhrte
ſich kein Luͤftchen in der ganzen Gegend, nur die Bie¬
nen ſummten um die hohen Sonnenblumen vor dem
Schloſſe. Seitwaͤrts aber ſah man bald einen rothen
Schuh, bald ein zierliches Fuͤßchen aus dem Laube
eines Kirſchbaums ſchimmern, zwiſchen dem manchmal
ein Paar ſchoͤne dunkle Augen herausfunkelten. Es
war Fraͤulein Gertrud, des Barons Tochter, die im
Wipfel Kirſchen naſchte und die Kerne muthwillig nach
den Hunden ſchnellte; eigentlich aber hatte ſie's auf
des Predigers neue, geſchniegelte Weſte abgeſehen.
Der Prediger aber merkte nichts davon, ſo ver¬
tieft war er in den Discurs. Ja, ſagte er, dieſe
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/122>, abgerufen am 21.11.2024.
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