Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

wärts in der Ferne einen Offizier von der deutschen
Legion, der unten zwischen dem Gebüsch seine Büchse
angelegt hatte, er wußte nicht, ob er auf ihn oder
die Schlummernde ziele, und machte erschrocken eine
heftige Bewegung. Da schüttelte die Schlafende die
Locken aus den Augen und richtete sich, in der Abend¬
glut mit den Steinen ihres Gürtels leuchtend, plötzlich
auf. Der Deutsche, wie geblendet, ließ seine Büchse
sinken und verschwand zwischen den Bäumen; St.
Val aber erkannte mit Schauern die Gräfin, denn
ihm fiel die Soldaten-Sage ein, daß es jedem den
Tod bedeute, der sie unversehens im Walde erblickt. --
Die Gräfin aber sah scharf nach allen Seiten, dann
ihn durchdringend an. Ihr seid sehr vorwitzig, sagte
sie darauf, doch es wird schon spät, ich bin so müde
und verirrt, zeigt mir den Weg aus dem Walde. Da
fiel es St. Val plötzlich auf's Herz; er wußte, daß
die Franzosen den Wald umzingelt hatten und in
welcher Gefahr sie war, er wollte sie retten, es koste
was es wolle, und dann noch diese Nacht zu seinem
Regiment zurück und sich zu anderen Truppen versetzen
lassen, weit von diesen Wäldern. -- Während diese
Gedanken verworren durch seine Seele gingen, hatte
sie schon ihr Pferd gezäumt; sie befahl ihm unterdeß
zu satteln und lachte ihn aus, als er damit nicht zu¬
recht kommen konnte, dann schwang sie sich hinauf, er
mußte das Pferd am Zügel führen. Sie saß seit¬

waͤrts in der Ferne einen Offizier von der deutſchen
Legion, der unten zwiſchen dem Gebuͤſch ſeine Buͤchſe
angelegt hatte, er wußte nicht, ob er auf ihn oder
die Schlummernde ziele, und machte erſchrocken eine
heftige Bewegung. Da ſchuͤttelte die Schlafende die
Locken aus den Augen und richtete ſich, in der Abend¬
glut mit den Steinen ihres Guͤrtels leuchtend, ploͤtzlich
auf. Der Deutſche, wie geblendet, ließ ſeine Buͤchſe
ſinken und verſchwand zwiſchen den Baͤumen; St.
Val aber erkannte mit Schauern die Graͤfin, denn
ihm fiel die Soldaten-Sage ein, daß es jedem den
Tod bedeute, der ſie unverſehens im Walde erblickt. —
Die Graͤfin aber ſah ſcharf nach allen Seiten, dann
ihn durchdringend an. Ihr ſeid ſehr vorwitzig, ſagte
ſie darauf, doch es wird ſchon ſpaͤt, ich bin ſo muͤde
und verirrt, zeigt mir den Weg aus dem Walde. Da
fiel es St. Val ploͤtzlich auf's Herz; er wußte, daß
die Franzoſen den Wald umzingelt hatten und in
welcher Gefahr ſie war, er wollte ſie retten, es koſte
was es wolle, und dann noch dieſe Nacht zu ſeinem
Regiment zuruͤck und ſich zu anderen Truppen verſetzen
laſſen, weit von dieſen Waͤldern. — Waͤhrend dieſe
Gedanken verworren durch ſeine Seele gingen, hatte
ſie ſchon ihr Pferd gezaͤumt; ſie befahl ihm unterdeß
zu ſatteln und lachte ihn aus, als er damit nicht zu¬
recht kommen konnte, dann ſchwang ſie ſich hinauf, er
mußte das Pferd am Zuͤgel fuͤhren. Sie ſaß ſeit¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0141" n="134"/>
wa&#x0364;rts in der Ferne einen Offizier von der deut&#x017F;chen<lb/>
Legion, der unten zwi&#x017F;chen dem Gebu&#x0364;&#x017F;ch &#x017F;eine Bu&#x0364;ch&#x017F;e<lb/>
angelegt hatte, er wußte nicht, ob er auf ihn oder<lb/>
die Schlummernde ziele, und machte er&#x017F;chrocken eine<lb/>
heftige Bewegung. Da &#x017F;chu&#x0364;ttelte die Schlafende die<lb/>
Locken aus den Augen und richtete &#x017F;ich, in der Abend¬<lb/>
glut mit den Steinen ihres Gu&#x0364;rtels leuchtend, plo&#x0364;tzlich<lb/>
auf. Der Deut&#x017F;che, wie geblendet, ließ &#x017F;eine Bu&#x0364;ch&#x017F;e<lb/>
&#x017F;inken und ver&#x017F;chwand zwi&#x017F;chen den Ba&#x0364;umen; St.<lb/>
Val aber erkannte mit Schauern die Gra&#x0364;fin, denn<lb/>
ihm fiel die Soldaten-Sage ein, daß es jedem den<lb/>
Tod bedeute, der &#x017F;ie unver&#x017F;ehens im Walde erblickt. &#x2014;<lb/>
Die Gra&#x0364;fin aber &#x017F;ah &#x017F;charf nach allen Seiten, dann<lb/>
ihn durchdringend an. Ihr &#x017F;eid &#x017F;ehr vorwitzig, &#x017F;agte<lb/>
&#x017F;ie darauf, doch es wird &#x017F;chon &#x017F;pa&#x0364;t, ich bin &#x017F;o mu&#x0364;de<lb/>
und verirrt, zeigt mir den Weg aus dem Walde. Da<lb/>
fiel es St. Val plo&#x0364;tzlich auf's Herz; er wußte, daß<lb/>
die Franzo&#x017F;en den Wald umzingelt hatten und in<lb/>
welcher Gefahr &#x017F;ie war, er wollte &#x017F;ie retten, es ko&#x017F;te<lb/>
was es wolle, und dann noch die&#x017F;e Nacht zu &#x017F;einem<lb/>
Regiment zuru&#x0364;ck und &#x017F;ich zu anderen Truppen ver&#x017F;etzen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, weit von die&#x017F;en Wa&#x0364;ldern. &#x2014; Wa&#x0364;hrend die&#x017F;e<lb/>
Gedanken verworren durch &#x017F;eine Seele gingen, hatte<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;chon ihr Pferd geza&#x0364;umt; &#x017F;ie befahl ihm unterdeß<lb/>
zu &#x017F;atteln und lachte ihn aus, als er damit nicht zu¬<lb/>
recht kommen konnte, dann &#x017F;chwang &#x017F;ie &#x017F;ich hinauf, er<lb/>
mußte das Pferd am Zu&#x0364;gel fu&#x0364;hren. Sie &#x017F;&#x017F;eit¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0141] waͤrts in der Ferne einen Offizier von der deutſchen Legion, der unten zwiſchen dem Gebuͤſch ſeine Buͤchſe angelegt hatte, er wußte nicht, ob er auf ihn oder die Schlummernde ziele, und machte erſchrocken eine heftige Bewegung. Da ſchuͤttelte die Schlafende die Locken aus den Augen und richtete ſich, in der Abend¬ glut mit den Steinen ihres Guͤrtels leuchtend, ploͤtzlich auf. Der Deutſche, wie geblendet, ließ ſeine Buͤchſe ſinken und verſchwand zwiſchen den Baͤumen; St. Val aber erkannte mit Schauern die Graͤfin, denn ihm fiel die Soldaten-Sage ein, daß es jedem den Tod bedeute, der ſie unverſehens im Walde erblickt. — Die Graͤfin aber ſah ſcharf nach allen Seiten, dann ihn durchdringend an. Ihr ſeid ſehr vorwitzig, ſagte ſie darauf, doch es wird ſchon ſpaͤt, ich bin ſo muͤde und verirrt, zeigt mir den Weg aus dem Walde. Da fiel es St. Val ploͤtzlich auf's Herz; er wußte, daß die Franzoſen den Wald umzingelt hatten und in welcher Gefahr ſie war, er wollte ſie retten, es koſte was es wolle, und dann noch dieſe Nacht zu ſeinem Regiment zuruͤck und ſich zu anderen Truppen verſetzen laſſen, weit von dieſen Waͤldern. — Waͤhrend dieſe Gedanken verworren durch ſeine Seele gingen, hatte ſie ſchon ihr Pferd gezaͤumt; ſie befahl ihm unterdeß zu ſatteln und lachte ihn aus, als er damit nicht zu¬ recht kommen konnte, dann ſchwang ſie ſich hinauf, er mußte das Pferd am Zuͤgel fuͤhren. Sie ſaß ſeit¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/141
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/141>, abgerufen am 21.11.2024.