so erhielt ich aus der Stadt die Nachricht, daß mir das einträgliche Amt eines Gerichtsverwalters hier in Hohenstein, das ich so lange zwischen Hoffnung und Zweifeln ersehnt, zu Theil geworden. Nun steht unse¬ rer Verheirathung nichts mehr im Wege. -- So eben guckt mir Florentine über die Schulter in's Blatt und hält mir schnell mit der Hand den Mund zu, damit ich nicht alles ausplaudern soll. Da ich aber unterdeß fortfuhr zu schreiben, so läuft sie nun gar fort, und läßt dich nicht einmal grüßen. -- Ich schreibe im Gar¬ ten auf demselben Platz mit der großen Aussicht, wo du alle Morgen zu lesen oder zu dichten pflegtest. Aber die Felder unten sind schon leer, auf den Beeten neben mir prangen nur noch die Astern, und die Blät¬ ter auf den Bäumen färben sich und fallen. Das ängstigte mich sonst immer, dießmal ist mir gar wun¬ derlich zu Muthe dabei, denn im Hause durch die offe¬ nen Fenster sehe ich die Mutter emsig Federn schütten zu den Brautbetten, der Tischler hat seine muntere Werkstatt vor der Hausthür aufgeschlagen und schnitzt die Doppelfenster für unsere künftige Wohnung, und ich richte mich mit innigem Behagen in Gedanken für den Winter ein -- da mögen draußen Sturm und Schnee an die Fenster schlagen! doch dieses Gefühl verstehst du wohl nicht? -- Nun, Gott sey mit dir, lieber Bruder, und führe dich auf deinen weiten Wegen
ſo erhielt ich aus der Stadt die Nachricht, daß mir das eintraͤgliche Amt eines Gerichtsverwalters hier in Hohenſtein, das ich ſo lange zwiſchen Hoffnung und Zweifeln erſehnt, zu Theil geworden. Nun ſteht unſe¬ rer Verheirathung nichts mehr im Wege. — So eben guckt mir Florentine uͤber die Schulter in's Blatt und haͤlt mir ſchnell mit der Hand den Mund zu, damit ich nicht alles ausplaudern ſoll. Da ich aber unterdeß fortfuhr zu ſchreiben, ſo laͤuft ſie nun gar fort, und laͤßt dich nicht einmal gruͤßen. — Ich ſchreibe im Gar¬ ten auf demſelben Platz mit der großen Ausſicht, wo du alle Morgen zu leſen oder zu dichten pflegteſt. Aber die Felder unten ſind ſchon leer, auf den Beeten neben mir prangen nur noch die Aſtern, und die Blaͤt¬ ter auf den Baͤumen faͤrben ſich und fallen. Das aͤngſtigte mich ſonſt immer, dießmal iſt mir gar wun¬ derlich zu Muthe dabei, denn im Hauſe durch die offe¬ nen Fenſter ſehe ich die Mutter emſig Federn ſchuͤtten zu den Brautbetten, der Tiſchler hat ſeine muntere Werkſtatt vor der Hausthuͤr aufgeſchlagen und ſchnitzt die Doppelfenſter fuͤr unſere kuͤnftige Wohnung, und ich richte mich mit innigem Behagen in Gedanken fuͤr den Winter ein — da moͤgen draußen Sturm und Schnee an die Fenſter ſchlagen! doch dieſes Gefuͤhl verſtehſt du wohl nicht? — Nun, Gott ſey mit dir, lieber Bruder, und fuͤhre dich auf deinen weiten Wegen
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ſo erhielt ich aus der Stadt die Nachricht, daß mir
das eintraͤgliche Amt eines Gerichtsverwalters hier in
Hohenſtein, das ich ſo lange zwiſchen Hoffnung und
Zweifeln erſehnt, zu Theil geworden. Nun ſteht unſe¬
rer Verheirathung nichts mehr im Wege. — So eben
guckt mir Florentine uͤber die Schulter in's Blatt und
haͤlt mir ſchnell mit der Hand den Mund zu, damit
ich nicht alles ausplaudern ſoll. Da ich aber unterdeß
fortfuhr zu ſchreiben, ſo laͤuft ſie nun gar fort, und
laͤßt dich nicht einmal gruͤßen. — Ich ſchreibe im Gar¬
ten auf demſelben Platz mit der großen Ausſicht, wo
du alle Morgen zu leſen oder zu dichten pflegteſt.
Aber die Felder unten ſind ſchon leer, auf den Beeten
neben mir prangen nur noch die Aſtern, und die Blaͤt¬
ter auf den Baͤumen faͤrben ſich und fallen. Das
aͤngſtigte mich ſonſt immer, dießmal iſt mir gar wun¬
derlich zu Muthe dabei, denn im Hauſe durch die offe¬
nen Fenſter ſehe ich die Mutter emſig Federn ſchuͤtten
zu den Brautbetten, der Tiſchler hat ſeine muntere
Werkſtatt vor der Hausthuͤr aufgeſchlagen und ſchnitzt
die Doppelfenſter fuͤr unſere kuͤnftige Wohnung, und
ich richte mich mit innigem Behagen in Gedanken fuͤr
den Winter ein — da moͤgen draußen Sturm und
Schnee an die Fenſter ſchlagen! doch dieſes Gefuͤhl
verſtehſt du wohl nicht? — Nun, Gott ſey mit dir,
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/176>, abgerufen am 21.11.2024.
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