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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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Vierzehntes Kapitel.

Ueber einer der verborgensten Schlüfte der Schweiz
rauschte leise die Nacht, nur ein Bach stieg zwischen
den Felsen hernieder und plauderte, da die Menschen
schliefen, heimlich mit der Wetterfahne auf der ärmli¬
chen Waldherberge, die in dem stillen Grunde lag. Da
fuhr auf dem Heuboden des Hauses ein Gesell ver¬
wirrt aus dem Schlafe empor. Es war Fortunat,
der auf seiner Reise nach Italien spät des Abends
das Wirthshaus erreicht, und gern das luftige Nacht¬
lager bestiegen hatte, da die wenigen Fremdenstuben
schon von anderen Reisenden besetzt waren. Dort
hatte ihn ein Traum erweckt, es war ihm plötzlich, als
hätte eine altbekannte Stimme unten seinen Namen
genannt. Er lauschte hinab, es rührte sich kein Laut.
Draußen aber flimmerten noch die Sterne, da setzte
er sich in das offene Dachfenster auf die obersten
Sprossen der Leiter, und sah den weiten, stillen Kreis


Vierzehntes Kapitel.

Ueber einer der verborgenſten Schluͤfte der Schweiz
rauſchte leiſe die Nacht, nur ein Bach ſtieg zwiſchen
den Felſen hernieder und plauderte, da die Menſchen
ſchliefen, heimlich mit der Wetterfahne auf der aͤrmli¬
chen Waldherberge, die in dem ſtillen Grunde lag. Da
fuhr auf dem Heuboden des Hauſes ein Geſell ver¬
wirrt aus dem Schlafe empor. Es war Fortunat,
der auf ſeiner Reiſe nach Italien ſpaͤt des Abends
das Wirthshaus erreicht, und gern das luftige Nacht¬
lager beſtiegen hatte, da die wenigen Fremdenſtuben
ſchon von anderen Reiſenden beſetzt waren. Dort
hatte ihn ein Traum erweckt, es war ihm ploͤtzlich, als
haͤtte eine altbekannte Stimme unten ſeinen Namen
genannt. Er lauſchte hinab, es ruͤhrte ſich kein Laut.
Draußen aber flimmerten noch die Sterne, da ſetzte
er ſich in das offene Dachfenſter auf die oberſten
Sproſſen der Leiter, und ſah den weiten, ſtillen Kreis

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[[181]/0188] Vierzehntes Kapitel. Ueber einer der verborgenſten Schluͤfte der Schweiz rauſchte leiſe die Nacht, nur ein Bach ſtieg zwiſchen den Felſen hernieder und plauderte, da die Menſchen ſchliefen, heimlich mit der Wetterfahne auf der aͤrmli¬ chen Waldherberge, die in dem ſtillen Grunde lag. Da fuhr auf dem Heuboden des Hauſes ein Geſell ver¬ wirrt aus dem Schlafe empor. Es war Fortunat, der auf ſeiner Reiſe nach Italien ſpaͤt des Abends das Wirthshaus erreicht, und gern das luftige Nacht¬ lager beſtiegen hatte, da die wenigen Fremdenſtuben ſchon von anderen Reiſenden beſetzt waren. Dort hatte ihn ein Traum erweckt, es war ihm ploͤtzlich, als haͤtte eine altbekannte Stimme unten ſeinen Namen genannt. Er lauſchte hinab, es ruͤhrte ſich kein Laut. Draußen aber flimmerten noch die Sterne, da ſetzte er ſich in das offene Dachfenſter auf die oberſten Sproſſen der Leiter, und ſah den weiten, ſtillen Kreis

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. [181]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/188>, abgerufen am 24.11.2024.