zwischen wüstem Gerülle hindurch. Währenddeß hör¬ ten sie im Innern nebenan eine männliche und eine weibliche Stimme immerfort lebhaft miteinander zan¬ ken. Das sind nun meine goldenen Träume! rief der Mann. -- Träume? erwiederte das Mädchen schnippisch, so zwick' dich in die Nase, damit du er¬ wachst, ich glaube, du bist heut wirklich betrunken. -- Was wußtest du je von der Trunkenheit der göttlichen Kunst! fiel er ihr wieder in's Wort, ich Thor, der ich meinte, dich mit emporzuheben! Nun zerrst du mich selbst mit hinab und machst mir die Welt so gemein, daß ich ihr alle meine Farbentöpfe an den Kopf wer¬ fen möchte! -- Nun, einen deiner Pinsel wenigstens hast du schon hinausgeschmissen, entgegnete das Mäd¬ chen lachend. -- Da meint sie mich, sagte Grundling zu Fortunat, fideles, genialisches Volk!
Jetzt öffnete er am Ende eines schmalen finsteren Ganges eine Hinterthür, und sie traten in ein großes, wüstes, von einem Kaminfeuer zweifelhaft erleuchtetes Gemach, wo Fortunat zu nicht geringer Verwunde¬ rung in den Zankenden, Kordelchen und den Maler Guido erkannte. Die erstere saß auf einem Koffer, wo sie Wäsche zu flicken schien. Kaum hatte sie For¬ tunaten erblickt, als sie, aufspringend, alles wegwarf, ihm mit großer Freude an den Hals flog, und ihn tüchtig abküßte. Guido, bleich und verstört, stand schweigend und schien einen Augenblick verlegen. Kor¬
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zwiſchen wuͤſtem Geruͤlle hindurch. Waͤhrenddeß hoͤr¬ ten ſie im Innern nebenan eine maͤnnliche und eine weibliche Stimme immerfort lebhaft miteinander zan¬ ken. Das ſind nun meine goldenen Traͤume! rief der Mann. — Traͤume? erwiederte das Maͤdchen ſchnippiſch, ſo zwick' dich in die Naſe, damit du er¬ wachſt, ich glaube, du biſt heut wirklich betrunken. — Was wußteſt du je von der Trunkenheit der goͤttlichen Kunſt! fiel er ihr wieder in's Wort, ich Thor, der ich meinte, dich mit emporzuheben! Nun zerrſt du mich ſelbſt mit hinab und machſt mir die Welt ſo gemein, daß ich ihr alle meine Farbentoͤpfe an den Kopf wer¬ fen moͤchte! — Nun, einen deiner Pinſel wenigſtens haſt du ſchon hinausgeſchmiſſen, entgegnete das Maͤd¬ chen lachend. — Da meint ſie mich, ſagte Grundling zu Fortunat, fideles, genialiſches Volk!
Jetzt oͤffnete er am Ende eines ſchmalen finſteren Ganges eine Hinterthuͤr, und ſie traten in ein großes, wuͤſtes, von einem Kaminfeuer zweifelhaft erleuchtetes Gemach, wo Fortunat zu nicht geringer Verwunde¬ rung in den Zankenden, Kordelchen und den Maler Guido erkannte. Die erſtere ſaß auf einem Koffer, wo ſie Waͤſche zu flicken ſchien. Kaum hatte ſie For¬ tunaten erblickt, als ſie, aufſpringend, alles wegwarf, ihm mit großer Freude an den Hals flog, und ihn tuͤchtig abkuͤßte. Guido, bleich und verſtoͤrt, ſtand ſchweigend und ſchien einen Augenblick verlegen. Kor¬
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zwiſchen wuͤſtem Geruͤlle hindurch. Waͤhrenddeß hoͤr¬
ten ſie im Innern nebenan eine maͤnnliche und eine
weibliche Stimme immerfort lebhaft miteinander zan¬
ken. Das ſind nun meine goldenen Traͤume! rief
der Mann. — Traͤume? erwiederte das Maͤdchen
ſchnippiſch, ſo zwick' dich in die Naſe, damit du er¬
wachſt, ich glaube, du biſt heut wirklich betrunken. —
Was wußteſt du je von der Trunkenheit der goͤttlichen
Kunſt! fiel er ihr wieder in's Wort, ich Thor, der ich
meinte, dich mit emporzuheben! Nun zerrſt du mich
ſelbſt mit hinab und machſt mir die Welt ſo gemein,
daß ich ihr alle meine Farbentoͤpfe an den Kopf wer¬
fen moͤchte! — Nun, einen deiner Pinſel wenigſtens
haſt du ſchon hinausgeſchmiſſen, entgegnete das Maͤd¬
chen lachend. — Da meint ſie mich, ſagte Grundling
zu Fortunat, fideles, genialiſches Volk!
Jetzt oͤffnete er am Ende eines ſchmalen finſteren
Ganges eine Hinterthuͤr, und ſie traten in ein großes,
wuͤſtes, von einem Kaminfeuer zweifelhaft erleuchtetes
Gemach, wo Fortunat zu nicht geringer Verwunde¬
rung in den Zankenden, Kordelchen und den Maler
Guido erkannte. Die erſtere ſaß auf einem Koffer,
wo ſie Waͤſche zu flicken ſchien. Kaum hatte ſie For¬
tunaten erblickt, als ſie, aufſpringend, alles wegwarf,
ihm mit großer Freude an den Hals flog, und ihn
tuͤchtig abkuͤßte. Guido, bleich und verſtoͤrt, ſtand
ſchweigend und ſchien einen Augenblick verlegen. Kor¬
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/202>, abgerufen am 21.11.2024.
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