dauert und widerlegt sein. Je mehr man ihn tröstet und streichelt, je ungebärdiger wird er, wie ein unge¬ zogenes Kind, das sich selbst in die Zunge gebissen hat.
Sie fing nun, unbekümmert um die Gegenwart der beiden Fremden, vor den Trümmern eines zerbroche¬ nen Spiegels sich schnell zu putzen an, wobei sie Fortu¬ naten sehr lustig erzählte, wie sie nach Rom gekommen. Das fröhliche Mädchen, schon früh für die Bühne dressirt, hatte durch ihr Zusammentreffen mit Lothario zum erstenmale in ihrem Leben Lust und Leid in ihrer tieferen Gewalt erfahren, ohne sich weiter ihren Zu¬ stand klar zu machen. Als nun aber der unbeständige Freund so plötzlich verschwunden war, wurden ihr Thea¬ ter, Sorti und alle die alten Gesichter langweilig, und der enthusiastische Guido beredete sie um so leichter, ihn nach Italien zu begleiten, als sie dadurch an Lo¬ thario's Untreue sich zu rächen und insgeheim diesen hier wieder zu finden meinte, was sie aber allen ver¬ schwieg. Unterweges hatte sie sich unzähligemal mit Guido entzweit und wieder versöhnt, sie galt für seine Frau, hier in Rom endlich zerstreute sie die neue Welt, und so führte sie gedankenlos ihr gewohntes, leichtfer¬ tiges Leben mit einer gewissen Unschuld fort, die dabei nichts Arges hatte. -- Aber wie sind sie damals in der Schweiz den Lord und den Albert wieder losgeworden? fragte sie plötzlich Fortunaten. -- Wie! sagte dieser erstaunt, so wart ihr es in jener Nacht? -- Freilich,
dauert und widerlegt ſein. Je mehr man ihn troͤſtet und ſtreichelt, je ungebaͤrdiger wird er, wie ein unge¬ zogenes Kind, das ſich ſelbſt in die Zunge gebiſſen hat.
Sie fing nun, unbekuͤmmert um die Gegenwart der beiden Fremden, vor den Truͤmmern eines zerbroche¬ nen Spiegels ſich ſchnell zu putzen an, wobei ſie Fortu¬ naten ſehr luſtig erzaͤhlte, wie ſie nach Rom gekommen. Das froͤhliche Maͤdchen, ſchon fruͤh fuͤr die Buͤhne dreſſirt, hatte durch ihr Zuſammentreffen mit Lothario zum erſtenmale in ihrem Leben Luſt und Leid in ihrer tieferen Gewalt erfahren, ohne ſich weiter ihren Zu¬ ſtand klar zu machen. Als nun aber der unbeſtaͤndige Freund ſo ploͤtzlich verſchwunden war, wurden ihr Thea¬ ter, Sorti und alle die alten Geſichter langweilig, und der enthuſiaſtiſche Guido beredete ſie um ſo leichter, ihn nach Italien zu begleiten, als ſie dadurch an Lo¬ thario's Untreue ſich zu raͤchen und insgeheim dieſen hier wieder zu finden meinte, was ſie aber allen ver¬ ſchwieg. Unterweges hatte ſie ſich unzaͤhligemal mit Guido entzweit und wieder verſoͤhnt, ſie galt fuͤr ſeine Frau, hier in Rom endlich zerſtreute ſie die neue Welt, und ſo fuͤhrte ſie gedankenlos ihr gewohntes, leichtfer¬ tiges Leben mit einer gewiſſen Unſchuld fort, die dabei nichts Arges hatte. — Aber wie ſind ſie damals in der Schweiz den Lord und den Albert wieder losgeworden? fragte ſie ploͤtzlich Fortunaten. — Wie! ſagte dieſer erſtaunt, ſo wart ihr es in jener Nacht? — Freilich,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0204"n="197"/>
dauert und widerlegt ſein. Je mehr man ihn troͤſtet<lb/>
und ſtreichelt, je ungebaͤrdiger wird er, wie ein unge¬<lb/>
zogenes Kind, das ſich ſelbſt in die Zunge gebiſſen hat.</p><lb/><p>Sie fing nun, unbekuͤmmert um die Gegenwart<lb/>
der beiden Fremden, vor den Truͤmmern eines zerbroche¬<lb/>
nen Spiegels ſich ſchnell zu putzen an, wobei ſie Fortu¬<lb/>
naten ſehr luſtig erzaͤhlte, wie ſie nach Rom gekommen.<lb/>
Das froͤhliche Maͤdchen, ſchon fruͤh fuͤr die Buͤhne<lb/>
dreſſirt, hatte durch ihr Zuſammentreffen mit Lothario<lb/>
zum erſtenmale in ihrem Leben Luſt und Leid in ihrer<lb/>
tieferen Gewalt erfahren, ohne ſich weiter ihren Zu¬<lb/>ſtand klar zu machen. Als nun aber der unbeſtaͤndige<lb/>
Freund ſo ploͤtzlich verſchwunden war, wurden ihr Thea¬<lb/>
ter, Sorti und alle die alten Geſichter langweilig, und<lb/>
der enthuſiaſtiſche Guido beredete ſie um ſo leichter,<lb/>
ihn nach Italien zu begleiten, als ſie dadurch an Lo¬<lb/>
thario's Untreue ſich zu raͤchen und insgeheim dieſen<lb/>
hier wieder zu finden meinte, was ſie aber allen ver¬<lb/>ſchwieg. Unterweges hatte ſie ſich unzaͤhligemal mit<lb/>
Guido entzweit und wieder verſoͤhnt, ſie galt fuͤr ſeine<lb/>
Frau, hier in Rom endlich zerſtreute ſie die neue Welt,<lb/>
und ſo fuͤhrte ſie gedankenlos ihr gewohntes, leichtfer¬<lb/>
tiges Leben mit einer gewiſſen Unſchuld fort, die dabei<lb/>
nichts Arges hatte. — Aber wie ſind ſie damals in der<lb/>
Schweiz den Lord und den Albert wieder losgeworden?<lb/>
fragte ſie ploͤtzlich Fortunaten. — Wie! ſagte dieſer<lb/>
erſtaunt, ſo wart ihr es in jener Nacht? — Freilich,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[197/0204]
dauert und widerlegt ſein. Je mehr man ihn troͤſtet
und ſtreichelt, je ungebaͤrdiger wird er, wie ein unge¬
zogenes Kind, das ſich ſelbſt in die Zunge gebiſſen hat.
Sie fing nun, unbekuͤmmert um die Gegenwart
der beiden Fremden, vor den Truͤmmern eines zerbroche¬
nen Spiegels ſich ſchnell zu putzen an, wobei ſie Fortu¬
naten ſehr luſtig erzaͤhlte, wie ſie nach Rom gekommen.
Das froͤhliche Maͤdchen, ſchon fruͤh fuͤr die Buͤhne
dreſſirt, hatte durch ihr Zuſammentreffen mit Lothario
zum erſtenmale in ihrem Leben Luſt und Leid in ihrer
tieferen Gewalt erfahren, ohne ſich weiter ihren Zu¬
ſtand klar zu machen. Als nun aber der unbeſtaͤndige
Freund ſo ploͤtzlich verſchwunden war, wurden ihr Thea¬
ter, Sorti und alle die alten Geſichter langweilig, und
der enthuſiaſtiſche Guido beredete ſie um ſo leichter,
ihn nach Italien zu begleiten, als ſie dadurch an Lo¬
thario's Untreue ſich zu raͤchen und insgeheim dieſen
hier wieder zu finden meinte, was ſie aber allen ver¬
ſchwieg. Unterweges hatte ſie ſich unzaͤhligemal mit
Guido entzweit und wieder verſoͤhnt, ſie galt fuͤr ſeine
Frau, hier in Rom endlich zerſtreute ſie die neue Welt,
und ſo fuͤhrte ſie gedankenlos ihr gewohntes, leichtfer¬
tiges Leben mit einer gewiſſen Unſchuld fort, die dabei
nichts Arges hatte. — Aber wie ſind ſie damals in der
Schweiz den Lord und den Albert wieder losgeworden?
fragte ſie ploͤtzlich Fortunaten. — Wie! ſagte dieſer
erſtaunt, ſo wart ihr es in jener Nacht? — Freilich,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/204>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.