Auf dem fürstlichen Jagdschlosse, wo im vorigen Jahre alles so bunt und fröhlich war, sieht es jetzt ganz anders aus. Die Vögel picken frühmorgens auf der marmornen Treppe zwischen den Säulen, ein lässi¬ ger Gärtnerbursch dehnt sich in der Morgenkühle und schickt sich an, die verschlungenen Gänge nothdürftig in Ordnung zu bringen, die überall blühend verwildern. In der alten Pracht funkeln die Sommernächte wie¬ der über den stillen Grund, aber keine Guitarren er¬ klingen mehr, nur die getreuen Nachtigallen schlagen wie damals in den Gebüschen, als klagten sie noch um Juanna's verlorene Schönheit.
Der Fürst gedachte nicht mehr des Schlosses, er war selber lange verwildert. Zwischen Genuß und Reue, Lust und Grauen war er allmählig immer tiefer hinabgestiegen in die schimmernden Abgründe, wo mit verlockendem Gesang die Nixen im Mondschein
Neunzehntes Kapitel.
Auf dem fuͤrſtlichen Jagdſchloſſe, wo im vorigen Jahre alles ſo bunt und froͤhlich war, ſieht es jetzt ganz anders aus. Die Voͤgel picken fruͤhmorgens auf der marmornen Treppe zwiſchen den Saͤulen, ein laͤſſi¬ ger Gaͤrtnerburſch dehnt ſich in der Morgenkuͤhle und ſchickt ſich an, die verſchlungenen Gaͤnge nothduͤrftig in Ordnung zu bringen, die uͤberall bluͤhend verwildern. In der alten Pracht funkeln die Sommernaͤchte wie¬ der uͤber den ſtillen Grund, aber keine Guitarren er¬ klingen mehr, nur die getreuen Nachtigallen ſchlagen wie damals in den Gebuͤſchen, als klagten ſie noch um Juanna's verlorene Schoͤnheit.
Der Fuͤrſt gedachte nicht mehr des Schloſſes, er war ſelber lange verwildert. Zwiſchen Genuß und Reue, Luſt und Grauen war er allmaͤhlig immer tiefer hinabgeſtiegen in die ſchimmernden Abgruͤnde, wo mit verlockendem Geſang die Nixen im Mondſchein
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Neunzehntes Kapitel.
Auf dem fuͤrſtlichen Jagdſchloſſe, wo im vorigen
Jahre alles ſo bunt und froͤhlich war, ſieht es jetzt
ganz anders aus. Die Voͤgel picken fruͤhmorgens auf
der marmornen Treppe zwiſchen den Saͤulen, ein laͤſſi¬
ger Gaͤrtnerburſch dehnt ſich in der Morgenkuͤhle und
ſchickt ſich an, die verſchlungenen Gaͤnge nothduͤrftig
in Ordnung zu bringen, die uͤberall bluͤhend verwildern.
In der alten Pracht funkeln die Sommernaͤchte wie¬
der uͤber den ſtillen Grund, aber keine Guitarren er¬
klingen mehr, nur die getreuen Nachtigallen ſchlagen
wie damals in den Gebuͤſchen, als klagten ſie noch
um Juanna's verlorene Schoͤnheit.
Der Fuͤrſt gedachte nicht mehr des Schloſſes, er
war ſelber lange verwildert. Zwiſchen Genuß und
Reue, Luſt und Grauen war er allmaͤhlig immer
tiefer hinabgeſtiegen in die ſchimmernden Abgruͤnde,
wo mit verlockendem Geſang die Nixen im Mondſchein
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. [247]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/254>, abgerufen am 24.11.2024.
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