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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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die auf dem Tisch liegende Guitarre, stellte sich vor
das bezeichnete Fenster und sang:

Zwei Musikanten ziehn daher
Vom Wald aus weiter Ferne,
Der eine ist verliebt gar sehr,
Der andere wär' es gerne.

Ich bitte dich, unterbrach ihn Walter, was singst
du da für dummes Zeug! -- Wart' nur, 's kommt
gleich klüger, erwiederte Fortunat und sang weiter:

Die stehn allhier im kalten Wind
Und singen schön und geigen:
Ob nicht ein süßverträumtes Kind
Am Fenster sich wollt' zeigen?

Sein Wunsch ging wirklich in Erfüllung. Ein
schönes Mädchen, noch ganz verschlafen, wie es schien,
fuhr oben an's Fenster, schüttelte die Locken aus dem
Gesichtchen und sah neugierig mit großen, frischen
Augen durch die Scheiben. Als sie aber unten einen
unbekannten, wohlgekleideten Mann erblickte, war sie
eben so schnell wieder verschwunden. -- Walter wurde
nun in der That unwillig, Fortunat aber griff immer
lustiger in die Saiten, und sang wieder:

Mein Herz ist recht von Diamant,
Eine Blum' von Edelsteinen,
Die funkelt fröhlich über's Land,
In tausend bunten Scheinen!
Und durch das Fenster, steigen ein
Waldsrauschen und Gesänge,
Da bricht der Sänger mit herein
Im seligen Gedränge.

die auf dem Tiſch liegende Guitarre, ſtellte ſich vor
das bezeichnete Fenſter und ſang:

Zwei Muſikanten ziehn daher
Vom Wald aus weiter Ferne,
Der eine iſt verliebt gar ſehr,
Der andere waͤr' es gerne.

Ich bitte dich, unterbrach ihn Walter, was ſingſt
du da fuͤr dummes Zeug! — Wart' nur, 's kommt
gleich kluͤger, erwiederte Fortunat und ſang weiter:

Die ſtehn allhier im kalten Wind
Und ſingen ſchoͤn und geigen:
Ob nicht ein ſuͤßvertraͤumtes Kind
Am Fenſter ſich wollt' zeigen?

Sein Wunſch ging wirklich in Erfuͤllung. Ein
ſchoͤnes Maͤdchen, noch ganz verſchlafen, wie es ſchien,
fuhr oben an's Fenſter, ſchuͤttelte die Locken aus dem
Geſichtchen und ſah neugierig mit großen, friſchen
Augen durch die Scheiben. Als ſie aber unten einen
unbekannten, wohlgekleideten Mann erblickte, war ſie
eben ſo ſchnell wieder verſchwunden. — Walter wurde
nun in der That unwillig, Fortunat aber griff immer
luſtiger in die Saiten, und ſang wieder:

Mein Herz iſt recht von Diamant,
Eine Blum' von Edelſteinen,
Die funkelt froͤhlich uͤber's Land,
In tauſend bunten Scheinen!
Und durch das Fenſter, ſteigen ein
Waldsrauſchen und Geſaͤnge,
Da bricht der Saͤnger mit herein
Im ſeligen Gedraͤnge.
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[20/0027] die auf dem Tiſch liegende Guitarre, ſtellte ſich vor das bezeichnete Fenſter und ſang: Zwei Muſikanten ziehn daher Vom Wald aus weiter Ferne, Der eine iſt verliebt gar ſehr, Der andere waͤr' es gerne. Ich bitte dich, unterbrach ihn Walter, was ſingſt du da fuͤr dummes Zeug! — Wart' nur, 's kommt gleich kluͤger, erwiederte Fortunat und ſang weiter: Die ſtehn allhier im kalten Wind Und ſingen ſchoͤn und geigen: Ob nicht ein ſuͤßvertraͤumtes Kind Am Fenſter ſich wollt' zeigen? Sein Wunſch ging wirklich in Erfuͤllung. Ein ſchoͤnes Maͤdchen, noch ganz verſchlafen, wie es ſchien, fuhr oben an's Fenſter, ſchuͤttelte die Locken aus dem Geſichtchen und ſah neugierig mit großen, friſchen Augen durch die Scheiben. Als ſie aber unten einen unbekannten, wohlgekleideten Mann erblickte, war ſie eben ſo ſchnell wieder verſchwunden. — Walter wurde nun in der That unwillig, Fortunat aber griff immer luſtiger in die Saiten, und ſang wieder: Mein Herz iſt recht von Diamant, Eine Blum' von Edelſteinen, Die funkelt froͤhlich uͤber's Land, In tauſend bunten Scheinen! Und durch das Fenſter, ſteigen ein Waldsrauſchen und Geſaͤnge, Da bricht der Saͤnger mit herein Im ſeligen Gedraͤnge.

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/27>, abgerufen am 21.11.2024.