aus! -- rief sie erstaunt, als sie seinen Namen hörte, dabei wandte sie ihn an beiden Achseln zu sich herum und sah ihm mit den großen schönen Augen gerade in's Gesicht, er mußte die seinen erröthend niederschla¬ gen. Come e bello! sagte sie kaum hörbar für sich. Darauf nahm sie eine Pfirsich aus der Kristallschale vor ihnen, biß mit ihren weißen Zähnchen herzhaft hin¬ ein und reichte sie ihm hin. Aber Otto war ganz ver¬ wirrt, aus ihren Augen leuchtete zuweilen eine irre, wilde Flamme, die ihn schreckte, in dieser seltsamen Verstimmung konnte er durchaus den rechten Ton nicht finden und saß blöde und unbeholfen neben der vor¬ nehmen schönen Frau. Da lachte sie plötzlich muth¬ willig auf, er wußte nicht worüber, dann sprang sie auf und brachte aus einem verborgenen Wandschrank ein zierlich gebundenes Buch hervor. Kennst du das? fragte sie, ihm den funkelnden Goldschnitt vorhaltend; es waren seine Gedichte. -- Ich kenn' sie noch nicht, sagte sie, lies mir was vor daraus.
Sie setzten sich wieder, er blätterte unentschlossen und begann endlich eines seiner liebsten Gedichte von der schönen Meerfey Melusina. -- Und daß du's nur weißt, unterbrach ihn die Dame, ich bin eigentlich selbst die Melusina; du darfst nur in den Nächten vom Mon¬ tag und Donnerstag in den Garten kommen. Frag' nicht nach mir, und plaudre nicht davon; wenn du mich ein einzigesmal bei Tage erblickst, sehn wir uns nie¬
aus! — rief ſie erſtaunt, als ſie ſeinen Namen hoͤrte, dabei wandte ſie ihn an beiden Achſeln zu ſich herum und ſah ihm mit den großen ſchoͤnen Augen gerade in's Geſicht, er mußte die ſeinen erroͤthend niederſchla¬ gen. Come è bello! ſagte ſie kaum hoͤrbar fuͤr ſich. Darauf nahm ſie eine Pfirſich aus der Kriſtallſchale vor ihnen, biß mit ihren weißen Zaͤhnchen herzhaft hin¬ ein und reichte ſie ihm hin. Aber Otto war ganz ver¬ wirrt, aus ihren Augen leuchtete zuweilen eine irre, wilde Flamme, die ihn ſchreckte, in dieſer ſeltſamen Verſtimmung konnte er durchaus den rechten Ton nicht finden und ſaß bloͤde und unbeholfen neben der vor¬ nehmen ſchoͤnen Frau. Da lachte ſie ploͤtzlich muth¬ willig auf, er wußte nicht woruͤber, dann ſprang ſie auf und brachte aus einem verborgenen Wandſchrank ein zierlich gebundenes Buch hervor. Kennſt du das? fragte ſie, ihm den funkelnden Goldſchnitt vorhaltend; es waren ſeine Gedichte. — Ich kenn' ſie noch nicht, ſagte ſie, lies mir was vor daraus.
Sie ſetzten ſich wieder, er blaͤtterte unentſchloſſen und begann endlich eines ſeiner liebſten Gedichte von der ſchoͤnen Meerfey Meluſina. — Und daß du's nur weißt, unterbrach ihn die Dame, ich bin eigentlich ſelbſt die Meluſina; du darfſt nur in den Naͤchten vom Mon¬ tag und Donnerſtag in den Garten kommen. Frag' nicht nach mir, und plaudre nicht davon; wenn du mich ein einzigesmal bei Tage erblickſt, ſehn wir uns nie¬
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aus! — rief ſie erſtaunt, als ſie ſeinen Namen hoͤrte,
dabei wandte ſie ihn an beiden Achſeln zu ſich herum
und ſah ihm mit den großen ſchoͤnen Augen gerade
in's Geſicht, er mußte die ſeinen erroͤthend niederſchla¬
gen. Come è bello! ſagte ſie kaum hoͤrbar fuͤr ſich.
Darauf nahm ſie eine Pfirſich aus der Kriſtallſchale
vor ihnen, biß mit ihren weißen Zaͤhnchen herzhaft hin¬
ein und reichte ſie ihm hin. Aber Otto war ganz ver¬
wirrt, aus ihren Augen leuchtete zuweilen eine irre,
wilde Flamme, die ihn ſchreckte, in dieſer ſeltſamen
Verſtimmung konnte er durchaus den rechten Ton nicht
finden und ſaß bloͤde und unbeholfen neben der vor¬
nehmen ſchoͤnen Frau. Da lachte ſie ploͤtzlich muth¬
willig auf, er wußte nicht woruͤber, dann ſprang ſie
auf und brachte aus einem verborgenen Wandſchrank
ein zierlich gebundenes Buch hervor. Kennſt du das?
fragte ſie, ihm den funkelnden Goldſchnitt vorhaltend;
es waren ſeine Gedichte. — Ich kenn' ſie noch nicht,
ſagte ſie, lies mir was vor daraus.
Sie ſetzten ſich wieder, er blaͤtterte unentſchloſſen
und begann endlich eines ſeiner liebſten Gedichte von
der ſchoͤnen Meerfey Meluſina. — Und daß du's nur
weißt, unterbrach ihn die Dame, ich bin eigentlich ſelbſt
die Meluſina; du darfſt nur in den Naͤchten vom Mon¬
tag und Donnerſtag in den Garten kommen. Frag'
nicht nach mir, und plaudre nicht davon; wenn du mich
ein einzigesmal bei Tage erblickſt, ſehn wir uns nie¬
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/319>, abgerufen am 22.11.2024.
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