Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.rief er aus, wie liegst du so weit, weit von hier! -- Waldeinsamkeit, Du grünes Revier,Wie liegt so weit Die Welt von hier! Schlaf' nur, wie bald Kommt der Abend schön, Durch den stillen Wald Die Quellen gehn, Die Mutter Gottes wacht, Mit ihrem Sternen-Kleid Bedeckt sie dich sacht In der Waldeinsamkeit, Gute Nacht, gute Nacht! -- Otto'n dunkelte es vor den Augen, da ging auf O du stille Zeit! Kommst, eh' wir's gedacht,Ueber die Berge weit Nun rauscht es so sacht In der Waldeinsamkeit, Gute Nacht -- rief er aus, wie liegſt du ſo weit, weit von hier! — Waldeinſamkeit, Du gruͤnes Revier,Wie liegt ſo weit Die Welt von hier! Schlaf' nur, wie bald Kommt der Abend ſchoͤn, Durch den ſtillen Wald Die Quellen gehn, Die Mutter Gottes wacht, Mit ihrem Sternen-Kleid Bedeckt ſie dich ſacht In der Waldeinſamkeit, Gute Nacht, gute Nacht! — Otto'n dunkelte es vor den Augen, da ging auf O du ſtille Zeit! Kommſt, eh' wir's gedacht,Ueber die Berge weit Nun rauſcht es ſo ſacht In der Waldeinſamkeit, Gute Nacht — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0331" n="324"/> rief er aus, wie liegſt du ſo weit, weit von hier! —<lb/> Die Kleine hatte ſich zu ſeinen Fuͤßen in's Gras ge¬<lb/> ſetzt. Nein, nein, ſagte ſie, ſo iſt es nicht, ich will<lb/> dich's lehren. Und bei dem Vogelſchall, ſelbſt wie ein<lb/> Waldvoͤglein, ſang ſie mit dem kindiſchen Stimmchen:</p><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#et">Waldeinſamkeit,</l><lb/> <l>Du gruͤnes Revier,</l><lb/> <l>Wie liegt ſo weit</l><lb/> <l>Die Welt von hier!</l><lb/> <l>Schlaf' nur, wie bald</l><lb/> <l>Kommt der Abend ſchoͤn,</l><lb/> <l>Durch den ſtillen Wald</l><lb/> <l>Die Quellen gehn,</l><lb/> <l>Die Mutter Gottes wacht,</l><lb/> <l>Mit ihrem Sternen-Kleid</l><lb/> <l>Bedeckt ſie dich ſacht</l><lb/> <l>In der Waldeinſamkeit,</l><lb/> <l>Gute Nacht, gute Nacht! —</l><lb/> </lg> <p>Otto'n dunkelte es vor den Augen, da ging auf<lb/> einmal ein Leuchten uͤber die Gegend wie ein Blitz in<lb/> der Nacht: ſtille Abgruͤnde fernab, Gaͤrten und Pa¬<lb/> laͤſte wunderbar im Mondglanz, er erkannte unten die<lb/> goldenen Kuppeln und hoͤrte durch die ſtille Luft her¬<lb/> uͤber die Glocken wieder gehen und die Brunnen rau¬<lb/> ſchen in Rom, und das Kind ſang wieder dazwiſchen:</p><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#et">O du ſtille Zeit!</l><lb/> <l>Kommſt, eh' wir's gedacht,</l><lb/> <l>Ueber die Berge weit</l><lb/> <l>Nun rauſcht es ſo ſacht</l><lb/> <l>In der Waldeinſamkeit,</l><lb/> <l>Gute Nacht —</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [324/0331]
rief er aus, wie liegſt du ſo weit, weit von hier! —
Die Kleine hatte ſich zu ſeinen Fuͤßen in's Gras ge¬
ſetzt. Nein, nein, ſagte ſie, ſo iſt es nicht, ich will
dich's lehren. Und bei dem Vogelſchall, ſelbſt wie ein
Waldvoͤglein, ſang ſie mit dem kindiſchen Stimmchen:
Waldeinſamkeit,
Du gruͤnes Revier,
Wie liegt ſo weit
Die Welt von hier!
Schlaf' nur, wie bald
Kommt der Abend ſchoͤn,
Durch den ſtillen Wald
Die Quellen gehn,
Die Mutter Gottes wacht,
Mit ihrem Sternen-Kleid
Bedeckt ſie dich ſacht
In der Waldeinſamkeit,
Gute Nacht, gute Nacht! —
Otto'n dunkelte es vor den Augen, da ging auf
einmal ein Leuchten uͤber die Gegend wie ein Blitz in
der Nacht: ſtille Abgruͤnde fernab, Gaͤrten und Pa¬
laͤſte wunderbar im Mondglanz, er erkannte unten die
goldenen Kuppeln und hoͤrte durch die ſtille Luft her¬
uͤber die Glocken wieder gehen und die Brunnen rau¬
ſchen in Rom, und das Kind ſang wieder dazwiſchen:
O du ſtille Zeit!
Kommſt, eh' wir's gedacht,
Ueber die Berge weit
Nun rauſcht es ſo ſacht
In der Waldeinſamkeit,
Gute Nacht —
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