jene Straße eingeschlagen hätten. Vergebens fragte er nach Namen und näheren Kennzeichen, er konnte aus der konfusen Personbeschreibung durchaus nicht klug werden, die eine hätte gar beinah auf Waltern gepaßt. -- Ihr fangt mich doch nicht! dachte er, als es ihm plötzlich auf's Herz fiel, daß er jedenfalls frei¬ willig und aus eigenem Entschluß vor Fiametta's Tante erscheinen müsse, wenn sein ganzer Plan nicht scheitern sollte. -- In dieser Unruhe trank er noch rasch des Wirths Gesundheit, schwang sich wieder auf sein Pferd und sprengte durch's Dorf den fremden Herren nach. Draußen aber nahm er sogleich die ent¬ gegengesetzte Richtung und athmete erst wieder frei auf, als ein Bauer im Felde ihm einen näheren Holz¬ weg gerade durch's Gebirge bezeichnete, auf dem er jene Reiter zu vermeiden, ihnen wohl gar zuvorzukom¬ men hoffen durfte.
Die Luft war schwül, er ritt lange am Rande eines waldigen Bergrückens fort, an einsamen Klüften und melancholischen Thälern vorüber. Auf einmal leuchtete seitwärts ein lustiger Grund zwischen den Bäumen herauf: rothe Ziegeldächer und Gärtchen im schillernden Sonnenschein an den Felsen hängend, unten ein glitzernder Bach mit badenden Kindern und auf der Wiese daneben fröhlich Getümmel der Heuärndte, Lachen und das Klirren der Sensen dazwischen. Und wie er noch so freudig überrascht hinabschaut, erschallt
jene Straße eingeſchlagen haͤtten. Vergebens fragte er nach Namen und naͤheren Kennzeichen, er konnte aus der konfuſen Perſonbeſchreibung durchaus nicht klug werden, die eine haͤtte gar beinah auf Waltern gepaßt. — Ihr fangt mich doch nicht! dachte er, als es ihm ploͤtzlich auf's Herz fiel, daß er jedenfalls frei¬ willig und aus eigenem Entſchluß vor Fiametta's Tante erſcheinen muͤſſe, wenn ſein ganzer Plan nicht ſcheitern ſollte. — In dieſer Unruhe trank er noch raſch des Wirths Geſundheit, ſchwang ſich wieder auf ſein Pferd und ſprengte durch's Dorf den fremden Herren nach. Draußen aber nahm er ſogleich die ent¬ gegengeſetzte Richtung und athmete erſt wieder frei auf, als ein Bauer im Felde ihm einen naͤheren Holz¬ weg gerade durch's Gebirge bezeichnete, auf dem er jene Reiter zu vermeiden, ihnen wohl gar zuvorzukom¬ men hoffen durfte.
Die Luft war ſchwuͤl, er ritt lange am Rande eines waldigen Bergruͤckens fort, an einſamen Kluͤften und melancholiſchen Thaͤlern voruͤber. Auf einmal leuchtete ſeitwaͤrts ein luſtiger Grund zwiſchen den Baͤumen herauf: rothe Ziegeldaͤcher und Gaͤrtchen im ſchillernden Sonnenſchein an den Felſen haͤngend, unten ein glitzernder Bach mit badenden Kindern und auf der Wieſe daneben froͤhlich Getuͤmmel der Heuaͤrndte, Lachen und das Klirren der Senſen dazwiſchen. Und wie er noch ſo freudig uͤberraſcht hinabſchaut, erſchallt
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jene Straße eingeſchlagen haͤtten. Vergebens fragte
er nach Namen und naͤheren Kennzeichen, er konnte
aus der konfuſen Perſonbeſchreibung durchaus nicht
klug werden, die eine haͤtte gar beinah auf Waltern
gepaßt. — Ihr fangt mich doch nicht! dachte er, als
es ihm ploͤtzlich auf's Herz fiel, daß er jedenfalls frei¬
willig und aus eigenem Entſchluß vor Fiametta's
Tante erſcheinen muͤſſe, wenn ſein ganzer Plan nicht
ſcheitern ſollte. — In dieſer Unruhe trank er noch
raſch des Wirths Geſundheit, ſchwang ſich wieder auf
ſein Pferd und ſprengte durch's Dorf den fremden
Herren nach. Draußen aber nahm er ſogleich die ent¬
gegengeſetzte Richtung und athmete erſt wieder frei
auf, als ein Bauer im Felde ihm einen naͤheren Holz¬
weg gerade durch's Gebirge bezeichnete, auf dem er
jene Reiter zu vermeiden, ihnen wohl gar zuvorzukom¬
men hoffen durfte.
Die Luft war ſchwuͤl, er ritt lange am Rande
eines waldigen Bergruͤckens fort, an einſamen Kluͤften
und melancholiſchen Thaͤlern voruͤber. Auf einmal
leuchtete ſeitwaͤrts ein luſtiger Grund zwiſchen den
Baͤumen herauf: rothe Ziegeldaͤcher und Gaͤrtchen im
ſchillernden Sonnenſchein an den Felſen haͤngend, unten
ein glitzernder Bach mit badenden Kindern und auf
der Wieſe daneben froͤhlich Getuͤmmel der Heuaͤrndte,
Lachen und das Klirren der Senſen dazwiſchen. Und
wie er noch ſo freudig uͤberraſcht hinabſchaut, erſchallt
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/361>, abgerufen am 23.11.2024.
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